Maladie - ...still...

Review

MALADIE ist dem Französischen entlehnt und heißt zu Deutsch „Krankheit“. Die Band dahinter ist ein neunköpfiges Kollektiv, das im süddeutschen Ludwigshafen seine Wirkungsstätte hat. Zusätzlich hat Bandkopf Björn Köppler einige Gastmusiker um sich geschart. „…still…“ ist nach „Plague Within“ das zweite Album der eigentlich als Projekt gegründeten Gruppierung. Und diese tief erschütternde Seelenwanderung, die „…still…“ ist, verlangt geradezu von so vielen Musikern vertont zu werden.

Das eröffnende „Demutatio“ (lat. = Veränderung) ist ein Einstieg, wie er besser kaum gewählt sein könnte. Ehe der Song in schwarzmetallenes Geknüppel ausartet, wird er durch liturgische Gesänge eingeleitet, welche von Störgeräuschen zersetzt in die nächsten 72 Minuten überleiten. Der Song ist abwechslungsreich gestaltet, das Gekeife ist extrem und lässt einem in besonders gelungenen Momenten das Blut in den Adern gefrieren. Auch das Saxophonsolo fügt sich stimmig ins Gesamtbild. All das zusammen lässt einen nicht mehr los und man will wissen an welchen Ufern die Galeere MALADIE noch stranden wird.

Die klanggewordene Krankheit ist dabei häufig in den Fahrwassern neuerer BORKNAGAR unterwegs und wegen des Saxophons, welches immer wieder auf „…still…“ zum Tragen kommt, musste ich häufig an die Schweizer Avantgarde-Formation BLUTMOND denken. Zu Beginn des 18-minütigen „Inexistenzia“ (lat. = Nichtexistenz) werden schnell Assoziationen zu neueren ROTTING CHRIST wach. Blastbeats gepaart mit schneller Melodiegitarre, dazu fieses Gekeife, gedoppelt mit Klargesang. Dieser ist es auch, der den sehr guten Gesamteindruck des Neuners leicht schmälert. Der Rest ist bis auf wenige Ausnahmen jedoch so gelungen, dass die Cleanvocals auf Albumlänge nicht so schwer ins Gewicht fallen. Das ausklingende Piano beendet das Stück sehr stimmungsvoll. Besonders die teilweise arrhythmisch eingesetzte zweite Stimme gefällt mit ihrer Unberechenbarkeit. Insgesamt ist das Outro aber zu lang und harmonisch zu gestaltlos. Zudem wirkt der Song etwas zu lang. „Demutatio“ ist durchdachter und abwechslungsreicher als das doppelt so lange „Inexistenzia“.

„Asperitas“ (lat. = Bitterkeit) gleicht zu Beginn einem Gewaltausbruch. Hier bricht wirklich der Himmel über einem zusammen und die geflüsterten lateinischen Wortfetzen beschwören die anschließende Apokalypse. Das chromatisch und dissonant angelegte „Discrepantia“ (lat. = Diskrepanz) ist bestens in den Albumverlauf eingebettet und fügt weitere Facetten zum Klangbild der Band hinzu. Allein das chromatische Gitarrensolo, welches in ein Saxophonsolo übergeht und wiederum von der Gitarre (diesmal jedoch diatonisch) abgelöst wird, ist grandios. Außerdem ist der Track eine Machtdemonstration gutturaler Gesangskunst. Hier wird gekeift, gefaucht und gegrowlt als gäbe es kein Morgen. Was es nach dieser Naturgewalt gefühlt auch nicht geben kann.

Das abschließende Duo „Semivivus“ (lat. = halbtot) und „Evigilantem“ (lat. = Erwachen) ist Musiktheater allererster Güte. Die beiden Songs gehen nahtlos ineinander über und bilden so eine unausweichliche Einheit. Hier zeigt die Band, was sie in „Inexistenzia“ noch teilweise versäumt hat. Die Songs sind dramatisch und kompromisslos. Als Zuhörer leide ich mit, wenn sich die Vokalisten die Seele aus dem Leib schreien und beschreite mit ihnen den Weg eines sterbenden Körpers, der sich zurück ins Leben kämpft.

„…still…“ ist ein tiefschürfendes, modernes und auch experimentelles Album, das fast über die gesamte Spielzeit zu überzeugen weiß. Der Klargesang wirkt ab und an leicht windschief und die Interludien wirken mehr wie ein Versuch, zu zeigen, was die Band noch alles kann. Ohne sie wäre das Album allerdings stimmiger. Insbesondere „Circuitus“ (lat. = Umweg) wirkt mit seinen Retortenstreichern arg aufgeblasen. Die Songtitel dieser Einschübe mögen dem Albumkonzept entsprechend gewählt sein, doch musikalisch nachvollziehbar sind sie nicht. Sie werden als Verschnaufpause vor die eigentlichen Songs geschoben und stehen nur selten in Relation zum folgenden Hassbrocken. Weshalb sie eher als unpassende Zäsur denn als weiterführendes Intermezzo wahrgenommen werden. Doch abgesehen davon führen MALADIE eine gnadenlose, emotionsgeladene Offenlegung einer geschundenen Seele auf, die in dieser theatralischen Form etwas Besonderes ist.

11.03.2015

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