Machine Head - Catharsis

Review

Vor allem seine unmissverständlichen politischen Positionierungen haben Robb Flynn in den vergangenen Monaten einiges an unvorhergesehener Aufmerksamkeit eingebracht. Allein die Tatsache, dass ein im Punk und Metal verwurzelter Künstler mit einer klar zum Ausdruck gebrachten Ablehnung jeglichen rassistischen Gedankengutes seit neuestem in den Kommentarspalten der sogenannten sozialen Medien polarisieren kann, sagt einiges über die gesellschaftlichen Zustände unserer Zeit aus. Beim Hören von „Catharsis“, dem neuen Album von MACHINE HEAD, wird schließlich endgültig klar, dass das Gesagte keineswegs der Album-Promotion diente, sondern sich auf Platte kompromisslos fortsetzt. Das Ergebnis ist einerseits das politischste und andererseits das lyrisch und musikalisch schizophrenste Album, das MACHINE HEAD jemals veröffentlicht haben und damit auf verschiedensten Ebenen das absolute Gegenteil von „Nummer sicher“.

„Catharsis“ stellt eine Herausforderung dar

Das erste Indiz dafür ist die schiere Länge von „Catharsis“, die bei anderen Bands für ein Doppelalbum gereicht hätte. 15 Songs und fast eineinhalb Stunden Spielzeit sind, wie Flynn es selbst im metal.de-Interview nennt, ein „commitment“. Nach dutzendfachem Hören der Platte muss leider hinzugefügt werden: Eines ohne Happy End, das zu viele stilistische Stränge und Ideen aufzeigt und unvollendet lässt, sich schlicht nicht entscheiden kann, was es sein will.

Zunächst hat „Catharsis“ die Thrasher und die groovenden Hardcore-Batzen: die qualitative Bandbreite reicht dabei vom grandiosen Opener „Volatile“ und der zukünftige Circle-Pit-Hymne „Kaleidoscope“ über den düsteren Nu-Metal-Storyteller „Triple Beam“ bis zum textlich infantilen und musikalisch einfältigen „California Bleeding“.

Dann gibt es die MACHINE-HEAD-typisch groovenden Midtempo-Stampfer wie „Beyond The Pale“, „Screaming At The Sun“ und „Psychotic“, die Flynn und Co. ziemlich routiniert aus dem Ärmel schütteln, die für sich genommen aber auch allesamt keine Offenbarungen darstellen.

Alle Schaffensphasen tauchen auf

Darüber hinaus lässt sich eine Reihe von Songs ausmachen, die scheinbar bewusst eine bestimmt Ära des eigenen Schaffens zu rekreieren versuchen. „Heavy Lies The Crown“ mixt die orchestralen Elemente von „Bloodstone & Diamonds“ mit den epischen Songformaten von „The Blackening“ und einem deutlichen NWoBHM-Vibe.  Nicht unspannend und durchaus mit einer gelungenen Spannungskurve versehen. „Eulogy“ enttäuscht hingegen als blasse Kopie des Titeltracks von „The Burning Red“ und recycelt darüber hinaus zentrale Zeilen aus „Bastards“

Womit wir bei der letzten Gruppe der „experimentellen“ Songs auf „Catharsis“ wären, zu denen sich der Titeltrack und das besagte „Bastards“ zählen lassen. Ersterer verbindet relativ gekonnt typische MACHINE-HEAD-Trademarks mit fast schon poppigen Elementen und stellt eine gelungene und stimmige Sound-Erweiterung dar. „Bastards“, der in einer rein akustischen Proberaum-Version bereits Ende 2016 von Robb Flynn bei YouTube hochgeladen wurde, wurde für das Album mit Tapping-Parts und einer Hammond-Orgel versehen und gehört damit sicherlich zum ungewöhnlichsten, was diese Band jemals veröffentlicht hat. Die Irritationen, die gerade dieser Song im Albumkontext auslöst, begründen sich allerdings weniger durch diese Andersartigkeit an sich, als vielmehr durch die teils kitschig-plakativen Elemente sowohl auf instrumentaler als auch auf textlicher Ebene.

MACHINE HEAD wirken bisweilen zerfahren

Denn „Bastards“ ist wie auch „Volatile“ und „Catharsis“ ein eindeutig politischer Song, der mit Rassisten und rückwärtsgewandten Ideologen abrechnen will. Dabei macht er aber den Fehler, eben jene kollektiv als „rednecks“ und „bastards“  zu stigmatisieren und damit die eigene Message „Remember there is love!“ zu konterkarieren. Bei aller politischer Übereinstimmung von Rezensentenseite stößt so etwas dennoch sauer auf.

Überhaupt liegt textlich wie bereits angedeutet vor allem dann ein weiterer Bruch vor, wenn Flynn an einer Stelle kaum verklausulierte politisch-moralische Botschaften formuliert und zwei Songs später den alles verachtenden Party-Draufgänger gibt. Etwas mehr Kohärenz hätte es da sein dürfen.

Was also kann am Ende festgehalten werden? Für ihr bis dato politisch explizitestes Album besinnen MACHINE HEAD sich auch musikalisch stellenweise wieder auf ihre Wurzeln im Hardcore und ihre Affinität zum Nu Metal zurück. „Catharsis“ ist als Gesamtkunstwerk eine Kampfansage an alles Rückwärtsgewandte und bricht eine laut krachende Lanze für die Freaks. Gleichzeitig wirkt das Album aber auch an vielen Stellen wie eine unvollendete Sinnsuche, der es an Orientierung fehlt. Mit einer klareren Vision und etwas mehr Mut zur Kürzung hätte am Ende eine überzeugendere Version von „Catharsis“ stehen können.

26.01.2018
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