Lymentria - Evolution F.B.
Review
LYMENTRIA? Nie gehört, klingt zunächst irgendwie nach Gothic, doch weit gefehlt. Denn selbst bezeichnet der deutsche Vierer seine Musik als metallische Mischung aus „Chaos, Drama, Enthusiasmus, Zweifel, Dynamik, Epik, Hingabe, Resignation, Kampf, Trauer, Illusion und Ironie“. Klingt schon mal vielversprechend, oder? „Evolution F.B.“ nennt sich das soeben erschienene Debut dieser Newcomer, das zu besprechen ich nunmehr die Ehre habe.
„Evolution“ eröffnet die Scheibe mit transparenten Gitarren untermalt von Klavier und weichem Gesang, eher ein Intro als ein Song. Der Anfang, das seltsame Riffing von „The Pulse Of Insanity“ erinnert ungemein an VOIVOD zu seligen „Angel Rat“ und „Outer Limits“-Zeiten, auch der sodann einsetzende Gesang. Und Hetfield stand bei Phrasierung und den nachgezogenen
„O“-Lauten Pate, und zwar nicht zu knapp. Das zwischendrin aufgefahrene Stimmengewirr hätten sie weglassen können, dann intoniert Hetfield, ähm, Sandro, wie zu seligen „Load“-Zeiten. „Aoolright (Wake The Lame)“ vertieft diese Eindrücke, VOIVOD sind mehr als nur einmal gehört worden. Und sie machen das gut, wirklich, auch hier wieder gibts die gesangliche Mischung aus Hetfield und VOIVODS Denis Belanger, wobei beide nett zitiert werden, „Somber Drama / Rolling Down Hill / Panorama“ möchte man fast mitgröhlen. Ein turbulentes Solo rundet das kleine Feuerwerk ab. „Welcome The Days In Black“ beginnt ruhig, feine Gitarrenlinien und ein im Hintergrund hämmernde Rhythmusabteilung führt in den interessant komponierten Song. Ein swingender Groove, rafinierte Reminiszenzen an das schwarze Album sowie die Load-Phase der METALLICATS werden vorsichtig, aber wirkungsvoll in den Track eingebaut. Das atmosphärische Break wird kristallinklar gespielt.
„Kill The Sidewalks“ erinnert von der Komposition gleichzeitig an ALICE IN CHAINS, SOUNDGARDEN und an METALLICAS „Thorn Within“, falls das überhaupt möglich ist. Hier agiert LYMENTRIA abwechselnd ruhig, düster, dann explodierend und Fahrt aufnehmend. Das rockige Ende (mit leisen MAIDEN-Vibes im Hintergrund) überzeugt. Einer meiner Faves auf dem Album, ein 9-Punkte Song, ganz klar. Mit Stimmengewirr beginnt
„Blockade“, ein stampfender Rhythmus ertönt, eine (geile) Gitarrenfront ackert sich heavy durch den Song, nochmals werden Stimmen während eines Breaks eingeblendet, weniger davon wäre hier mehr, aber wenn dann die Streitäxte loslegen, gibts kein Halten mehr; müßte live gut kommen, solch ein Heavymonster. In „Laugh Away“ zeigt Freund Sandro, dass er auch staubig intonieren kann, wenn die Akustikklampfe ihn frech herausfordert. Der schräge Refrain, die Breaks, die Gitarren, der Bass, das unermüdliche Schlagzeug, das paßt schon. Und die überraschende swingende Passage ab Minute 2:50 ist wirklich gut gelungen.
„The Secret Sin“ kreuzt die Zuneigung der Band zu Roadatmosphäre, Metal und Heavy-Grunge, ALICE IN CHAINS in ihrer „Dirt“-Phase hätten das gemocht. Auch der späte CASH, denk ich mal. Oder Phil Lynott oder NICK CAVE. Ist aber auch ein Klassesong, wirklich. Und der folgende auch: „Empty Lungs“ vereint nocheinmal die Vorliebe von LYMENTRIA hinsichtlich Jason Newsteds Bassläufen und Komponierkunst, „My Friend Of Misery“ müssen sie einfach mögen, da gehe ich jede Wette ein. „Shelter“ beschließt die CD mit glockenartig gespielten Gitarren zum eindringlich intonierten Gesang von Sandro, eine Akustiknummer, die laut gehört werden will.
Im Gegensatz zu AM I BLOOD, die sich an den harten METALLICA-Tracks und am Thrash orientiert haben, versuchen sich LYMENTRIA an den variableren rockigeren Songs der Vorbilder und geben dem Ganzen eine Note Psychedelic-Groove Marke VOIVOD hinzu. Das gelingt richtig gut, denn auch eigene Linie ist genug vorhanden. Wenn sie auf diesem Niveau weitermachen, könnte die charismatische Band mehr als nur eine lokale Größe in dem derzeitigen Veröffentlichungsdschungel werden. Zu gönnen wärs ihnen.
Ach ja, wofür steht eigentlich F.B.? F*** Berlin? Frost bites? Freiburg bastelt? Flipper brennt? Was weiß ich…