Klassischer Fall von inneren Werten oder wie man sagt: never judge a book by its cover. Das starke Artwork, ein Ausschnitt des Gemäldes „Gewässer Der Hölle“ des zeitgenössischen italienischen Malers Paolo Girardi, verleitet definitiv, „Tempest“ mehr als einen flüchtigen Blick im Vorbeigehen zu schenken und akustisch ein ähnlich aufwühlendes Erlebnis zu erwarten, wie es visuell versprochen wird…
…doch leider entpuppt sich die knappe Dreiviertelstunde Funeral Doom nicht als die erhoffte Naturgewalt sondern eher als Sturm im Wasserglas. Was die Produktion und vertonte Atmosphäre anbelangt, gibt es beim Erstling der Amerikaner aus Oakland zwar nichts zu meckern: standesgemäß düster und morbide steigen „Coma Burn“, „Engravings“ und der Titeltrack aus Grabestiefen hervor und rollen knirschend wie malmend über den Friedhofsacker. Wirklichen Anlass zu schaudern gibt jedoch nur der Umstand, dass Tempest im Gros einfach zu viel Stangenware bietet, als dass es mit den Genre-Speerspitzen mithalten könnte. In seinen stärksten Momenten gereicht „Tempest“ mit sakralem Chorgesang PANTHEIST zur Ehre und erinnert durch seine Melodieaufbauten an die legendären ASUNDER sowie MOURNFUL CONGREGATION zu „The June Frost“-Zeiten. Paradigmatisch dafür die ersten Minuten von „Coma Burn“, denen genannte Grüßen sehr offensichtlich Modell standen und in trügerische Sicherheit lullen, mit „Tempest“ könnte wenn schon kein großes dann wenigstens ein gutklassiges Album bevorstehen.
Dafür bieten LYCUS zwischen den Zitaten jedoch zu viel Füllmaterial. Mitunter fällt dem Trio nicht viel anderes ein, als die an Aufhängern arme Riff-Gleichförmigkeit durch Blast Beat-Ausbrüche in schwarzmetallisches Terrain zu steuern, mittels Double Bass im Midtempo herbes Todesbleiaroma herbeizurühren oder entrückt fiedelnde Geigen einzustreuen. Das mag nach einer Menge Variabilität klingen, spiegelt jedoch nur je ein Stilelement pro Song wieder. Zu wenig, um Songs Nummer zwei und drei auf ein ähnlich fesselndes Niveau wie „Coma Burn“ zu heben. LYCUS vermögen es nur selten, einzelne Parts flüssig zu einem Ganzen zu verbinden und ob der 20-minütigeTiteltrack durch ein siebenminütiges Outro generisch-monotoner Violinklänge künstlich am Leben erhalten werden muss, sei nicht dahingestellt, sondern gleich als unnötig bezeichnet. Von einer Entdeckung von LOSS‘ Mike Meacham hätte man sich mehr erwartet als knappe sechs Punkte.
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