Der Östersunder Henrik „Nachtzeit“ Sunding, Kopf seines Ein-Mann-Projekts LUSTRE, war zuletzt vergleichsweise untätig. Zwei Jahre ist es her, dass das letzte Album „Blossom“ veröffentlicht wurde, und bedenkt man, dass es zwischendurch auch die beiden NACHTZEIT-EPs „Där Föddes En Längtan“ und „Sagor I Natten“ gab, mag das erstmal nicht nach so viel aussehen. Aber wir reden eben von Mr. Nachtzeit und LUSTRE, dessen Standard-Output früher mal vier Veröffentlichungen pro Jahr betrug. Insofern … langsam liefs in den letzten Jahren bei LUSTRE.
Nachdenklich und verträumt wie eh und je
Nun liegt das neue, insgesamt sechste Full-Length-Album „Still Innocence“ vor. Darauf gibt es fünf Tracks im üblichen LUSTRE-Stil, das heißt für Unwissende: Stark ambientlastiger Melodic bzw. Atmospheric Black Metal, irgendwo zwischen melodischeren BURZUM und natürlich den Österreichern SUMMONING, allerdings mit weniger epischer Herangehensweise. Stattdessen musiziert LUSTRE eher auf verträumte, nachdenkliche Weise mit hintergründigen Gitarrenriffs und vordergründigen, eindringlichen, sich oft wiederholenden Keyboard-Melodien. Ausnahme stellt „Let Go Like Leaves Of Fall“ dar, das als reiner Ambient-Track an eine Mischung aus Ambient Folk und Dungeon Synth erinnert – aber auch das ist nichts Neues im Hause Nachtzeit.
Bei LUSTRE nichts Neues?
Bietet „Still Innocence“ also nur die übliche LUSTRE-Kost? Ja und nein – letztlich reicht Nachtzeit nicht über sein Standard-Repertoire hinaus, versucht das aber auch gar nicht. Allerdings sollte „Reverence Road“ als Höhepunkt des Albums genannt sein: Auch das ist Nachtzeit, wie er leibt und lebt, aber so eindringlich wie in diesem epischen, zehnminütigen Stück hat er das bisher selten hinbekommen. Die Straße der Ehrfurcht vor der Natur windet sich im Kopf des Hörers geradezu bildlich vor sich hin, Gänsehaut ist vorprogrammiert.
„Still Innocence“ wird Fans gefallen
Ein dickes Highlight gibt es auf „Still Innocence“ also zu verbuchen, und obwohl es oben hieß, das Album sei ein übliches LUSTRE-Werk: Das stimmt zwar, heißt ja aber nichts Schlechtes. Im Gegenteil, eindringlichen, atmosphärischen Ambient/Melodic Black Metal kann der Mann hinter dem Projekt, wie er mehrmals bewiesen hat, und mit „Still Innocence“ statuiert er ein weiteres Exempel dafür. Wer alles andere von LUSTRE mag, der wird auch mit „Still Innocence“ zufrieden sein und bekommt, wie gesagt, mit „Reverence Road“ sogar noch ein besonderes Highlight serviert.
Sehr gut geschriebenes Review! Ich kenne mich mit Ambient und atmosphärischem Black Metal so gut wie gar nicht aus. Bin aber nach dem ersten hören eher geneigt Tangerine Dream, Cluster oder Michael Rother ins Feld zu werfen.