LUCA TURILLIs neues Album „Prometheus“ ist besser als sein Vorgänger. Das überrascht erstmal nicht: Hat „Ascending To Infinity“ noch viel experimentiert, ist sein Nachfolger ein deutlich geschlosseneres Werk. Es nimmt den Operneinschlag, den es zuvor nur vereinzelt auf Songs wie „Luna“ gab, als einen neuen roten Faden und verknüpft damit Power Metal Stampfer wie „One Ring To Rule Them All“ mit radiotauglicheren Nummern wie „Il Cigno Nero“. Dank einfacheren Songdramaturgien muss man neuerdings auch nicht mehr Musikwissenschaft studiert haben, um mit „Prometheus“ etwas anfangen zu können. Aber für Die-Hard-Fans kann das ein zweischneidiges Schwert sein: Eine tiefe Befriedigung, wie beim Hineinarbeiten in Vorgängersongs wie dem Titeltrack oder „Excalibur“, empfindet man auf dem neuen Album seltener.
Dazu trägt bei, dass „Prometheus“ ähnlich wie „Triumph Or Agony“ oder „The Infinite Wonders Of Creation“ ein Album ist, in dem sich LUCA TURILLI eher als Keyboarder, denn als Gitarrist begreift. Aufregende Soli, die durch ein dynamisches Wechseln von Tonarten, Spieltechniken und Rhythmen eine komplexe Geschichte erzählen, entfallen größtenteils. Stattdessen bestehen Songs oft aus zwei dominanten Themen, die miteinander kombiniert werden. Meistens geht das gut aus: „Il Cigno Nero“, „Rosenkreuz“, „One Ring To Rule Them All“ und der Titeltrack sind nur einige der Highlights von „Prometheus“. Gelegentlich schmuggelt sich aber auch Mittelmaß auf das Album: „Yggdrasil“ beginnt zwar stark, klingt im Refrain aber zu generisch. „King Solomon And The 72 Names Of God“ trägt einen Ägypten-Vibe mit sich, den andere Bands bereits besser gemacht haben. Und das abschließende Epos „Of Michael The Archangel And Lucifers Fall 2“ ist ebenso wie der Vorgänger durchwachsen, da es das hohe Niveau einiger Parts nicht über die Gesamtspielzeit von fast 20 Minuten tragen kann.
Wer sich als Die-Hard-Fan des Italieners begreift, erwartet auf einem neuem Album aber noch etwas anderes: Eine Weiterentwicklung der Verschmelzung von Klassik und Metal in einem musikwissenschaftlichen Kontext. Diese findet zwar statt, der Schritt hätte aber größer ausfallen können. An sich ist jede Instrumentspur liebevoll ausgearbeitet und mit klassischen Anleihen gespickt. Auch der merkbare Operneinschlag gibt der Musikrichtung etwas Neues mit. Teilweise fällt es jedoch negativ auf, dass LUCA TURILLI auch im Jahr 2015 kein großer Fan filigraner Schlagzeugarbeit ist. Zu oft werden feingliedrige Strukturen totgetrommelt, was sich gelegentlich negativ auf die Illusion eines kohärenten Genrehybrids auswirkt. Gelungene Ausnahme: „Notturno“. Ohne Gitarren hätte der Opernsong auch auf einem ALESSANDRO SAFINA Album stehen können. Die liebevoll eingearbeiteten Metalelemente verleihen ihm jedoch eine Größe, die konventionelle Komponisten von Populärklassik nur selten erreichen können.
LUCA TURILLI ist kompositorisch gesehen immer noch ein Unikat im Metalgenre. Zwar wird die Anzahl der Bands, die etwas von Musiktheorie verstehen, zunehmend größer, doch sein Mix aus Metal, Klassik, Oper und italienischer Folklore ist weiterhin einzigartig. 8 Punkte für das Album und einen Bonuspunkt für die größtenteils geglückte Weiterentwicklung des Genres. Und für die Entdeckung des Sängers Alessandro Conti. Der dreht auf „Prometheus“ nämlich dermaßen auf, dass ich mich frage, wie er über Jahrzehnte hinweg unbemerkt bleiben konnte.
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