Sind wir mal ehrlich, Symphonic Metal ist im Jahre 2019 nicht unbedingt der heiße Scheiß. Mittlerweile ist es daher mehr als überflüssig, gerade kleineren, unbekannteren Bands, die dieses Genre weiter bedienen, reines Kalkül und die Hoffnung auf hohe Plattenverkäufe als Triebfeder zu unterstellen. So dürften auch die Finnen und Finninnen von LOST IN GREY mit ihrem zweiten Album „The Waste Land“ nicht unbedingt reich werden. Ob sie es allerdings schaffen, mit ihrem Sound relevant zu bleiben, bzw. es überhaupt erst zu werden, steht auf einem anderen Blatt.
LOST IN GREY – (Über-)Ambitionierter Symphonic Metal mit zwei Stimmen
Weiblicher Operngesang im Duett mit rauen Growls, große Melodien, Chöre, ständig präsente Keyboards und natürlich Orchester-Parts – all das finden wir, wie bei so gut wie allen anderen Formationen dieser Stilrichtung, auch im Sound von LOST IN GREY wieder. Wo liegt also das Alleinstellungsmerkmal? Nunja, zumindest gleich zwei Frauenstimmen einzusetzen ist vermutlich nicht alltäglich. Während Emily Leone eher die klassische, opernhafte Variante übernimmt, sorgt das angeraute, und an einigen Stellen an Noora Louhimo von BATTLE BEAST erinnernde, Organ von Anne Lill für einen angenehmen Kontrapunkt.
Die acht, zum Teil recht ausladenden, Kompositionen von Keyboarder und Bandkopf Harri Koskela erzählen eine Geschichte mit verteilten Rollen. Deutlich heraushörbar ist hier der alte Kampf „Gut gegen Böse“. So ambitioniert man offenbar an die Vertonung herangegangen ist, so sehr verlieren sich aber viele Songs auch in sich selbst. Während der Titeltrack als Opener noch recht knackig gehalten ist und auch ganz gut ins Ohr geht, sieht das bei „Unohdukseen Katoaa“ schon anders aus. Ja ok, ein Song auf Finnisch klingt für einige wohl immer noch etwas exotisch. Wenn das aber alles ist, was beim Hörer hängen bleibt, ist das doch ein wenig dünn.
In „Wolves Among Men“ wandelt man dann endgültig auf den Spuren von AVANTASIA oder AYREON. Nunja, zumindest versuchen LOST IN GREY dies. Leider fehlt ihnen nämlich jede Spur von Progressivität, vom feinen Songwriting eines Tobias Sammet oder Arjen Lucassen ganz zu schweigen. Mit der Dampframme unbedingt etwas großes erschaffen zu wollen, funktioniert nunmal nur in den seltensten Fällen. Hier tut es das definitiv nicht. Nicht jeder kann eben eine Rock-Oper schreiben.
Zur Produktion muss eigentlich auch nicht viel gesagt werden. Zuckersüß, klebrig und glatt sind Begriffe, die einem sofort in den Sinn kommen. Einer Symphonic-Metal-Band jedoch vorzuwerfen, dass sie zu viel poppigen Bombast verwenden, wäre allerdings wirklich albern. Daher ist der Sound wohl am ehesten eines: Erwartungsgemäß.
„The Waste Land“ setzt keine Akzente
LOST IN GREY scheitern an ihrem eigenen Anspruch. Auch wenn man der Band rein handwerklich gar nicht viel vorwerfen kann, klingt das alles viel zu gewollt, zu aufgeblasen. Aller enthaltener Bombast kann über die eklatanten Schwächen im Songwriting eben doch nicht hinwegtäuschen. Außerdem bleibt die Frage, wen man mit „The Waste Land“ eigentlich erreichen möchte. Natürlich, jedes Subgenre hat seine Fans. Dennoch wird es als Quasi-Newcomer, selbst in einem mittlerweile nicht mehr so populären Bereich schwer, noch neue Fans zu gewinnen, wenn man nicht wirklich Akzente setzen kann. Und gerade das gelingt LOST IN GREY eben nicht.
Für Genrefans, die wirklich alles an Symphonic Metal verschlingen, ist dieses Album sicher empfehlenswert. Der Rest hält sich wohl eher an die noch verbliebenen Größen dieses einstigen Trends.
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