Loreena McKennitt - The Wind That Shakes The Barley

Review

Manche Alben haben ihre Zeit. LOREENA MCKENNITTs letztes Album “The Wind That Shakes The Barley“ liegt seit vielen Monaten auf meinem Schreibtisch und wartet darauf, in Ruhe gehört und mit einigen Worten bedacht zu werden. Aber das geht nicht, wenn draußen 30° sind, wenn es einem eigentlich ganz gut geht, wenn man Martini mit Orangensaft auf der Terrasse trinkt und mehr Lust auf Hau-Drauf- als auf melancholische Nachdenkmusik hat. Heute aber ist ein Tag, der wie geschaffen für die kanadische Musikerin ist – düster, verregnet, deprimierend und irgendwie traurig, obwohl man gar keinen genauen Grund dafür nennen könnte.

Wenn man sowieso zu Schwermut und Nostalgie tendiert, schlagen die acht neu arrangierten irischen und schottischen Traditionals und das selbst komponierte Stück auf diesem Album direkt durch und aufs Gemüt. Aber sie machen auch auf seltsame Art und Weise glücklich und dankbar, rühren an, dass man die Tränen hinunterschlucken und sich selbst dazu zwingen muss, lieber nach vorne als zurück zu schauen. Alles andere risse die Fassaden der selbstverordneten Fassung ein, und es dauert eine Weile, sie wieder aufzubauen. Wenn man das trotzdem erleben will, sollte man diesem Album lieber mit einer Monatsration Johanniskraut unter der Bettdecke begegnen und eine kühlende Creme für die verheulten Augen bereit halten. Mit trockenen Augen kann man es jedenfalls nicht hören.

LOREENA MCKENNITT arrangiert Musik auch 2010 so wunderbar einfühlsam und seicht, mit so viel Fingerspitzengefühl, dass man nur still dieser bezaubernd-herben Stimme zuhören möchte, wie sie zu einer wunderschönen Begleitung durch eine ganze Armee akustischer Instrumentalisten tragische Geschichten von Liebenden und Scheidenden erzählt, dass einem das Herz brechen möchte. So klingt nur jemand, der erlebt hat, wovon er singt – und auch, wenn ich das niemandem wünsche, so gibt es doch nichts, das Musik berührender und ehrlicher macht als erlebtes Leid. Manchmal scheint es, als wenn die Sängerin seit fast 15 Jahren auf jedem neuen Album fast wie in einem nicht enden wollenden Mantra versucht, die Verluste ihrer eigenen Lebensgeschichte aufzuarbeiten, und jedes Mal gelingt es ihr damit, dieselbe Intensität zu erzeugen.

Das kann man lieben, wie ich es tue, und man kann ermüdend und repetitiv finden, dass LOREENA MCKENNITT-Alben sich untereinander sehr ähneln oder oberflächlich nicht aufregend und voller Höhepunkte sind. Beides hat seine Berechtigung. Was man anerkennen muss ist, dass “The Wind That Shakes The Barley“ nach Ausflügen in die orientalische Musik, sufische Mystik und den christlichen Glauben eine persönliche Rückkehr zu den eigenen Anfängen der Musikerin ist. Und dahin möchte ich auch zurückkehren, zumindest an den Beginn dieses Reviews: Dieses Album hat heute seine Zeit, und es wird noch oft seine Zeit haben an Tagen wie diesem. Es ist ein schönes, zerbrechliches und stilles Album und gibt doch die Kraft, am nächsten Tag wieder aufzustehen.

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16.05.2011

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