Mit dem letzten Studioalbum „Killection“ veröffentlichten LORDI ein imaginäres Best-Of-Album, das die Frage aufgeworfen hat: Was wäre wenn es die monsterikanische Band bereits in den Neunzehn-Siebziger-Jahren gegeben hätte – und sie seitdem Musik in sämtlichen, anno dazumal bis heute populären Musikströmungen schwimmenden Stilen veröffentlicht hätte?
Was dann bei „Killection“ zunächst „nur“ das „Best-Of-Album“ gewesen ist, erlebt mit „Lordiversity“ nun seine konsequente Fortführung und wird jetzt auch albumtechnisch unterfüttert. Das neue, siebenteilige Album ist als „Neuauflage“ der „ersten sieben Alben“ der Band zu verstehen und kommt daher in physischer Form in einem bis zum Rand vollgepackten Siebener-Paket daher. Das in einem Aufwasch zu besprechen würde der absurden Dimension dieser Veröffentlichung vermutlich kaum gerecht werden (und einzelne Redakteure auch schlicht an den Rand des Wahnsinns treiben). Daher werden wir in den folgenden sieben Tagen jedes einzelne dieser sieben Alben einzeln besprechen und am Ende, pünktlich zur Veröffentlichung des Gesamtpakets, eine Zusammenfassung mit daraus folgender Durchschnittsnote liefern.
Und es dürfte angesichts der Fortführung dieses Konzepts auch niemanden wundern, dass einige „Killection“-Songs hier wieder auftauchen – siehe der hiesige Embed weiter unten. Viel Spaß mit der LORDI-Killection-History!
Der erste Teil der „Diskografie“ hinter „Killection“
Beginnen wir unseren Countdown zu „Lordiversity“ also mit dem, was „chronologisch“ als erstes kommt: „Skelectric Dinosaur“, das Album auf dem LORDI wie eine Band frisch aus den Siebzigern klingen. Zumindest bringen sie dafür schon mal den antiquiert klingenden Sound mit, der das Album definitiv in die richtige Zeit gefallen klingen lässt. Ebenfalls passend ist die starke Blues-Durchsetzung, die sich im Riffing breit macht, ebenso wie mehrstimmig gesungene Hooks, wie man sie von den Monstern so gar nicht erwarten würde. Jedenfalls nicht in dieser geradezu beschwingten und souligen Manier. Womit man sich natürlich arrangieren muss, ist LORDIs rauer Gesang, der omnipräsent ist. Dazu gleich.
Aber in der Tat produzieren die Finnen hier gleich eine Handvoll mall peppiger, mal auch erstaunlich dramatisch aufgezogener Hits, wie man sie zugegebenermaßen vermutlich von jeder überdurchschnittlichen Retro-Band erwarten würde – aber vermutlich weniger von den berüchtigten Gewinnern des Eurovision Song Contest von 2006. „Day Off Of The Devil“ geht nach dem Intro „SCG Minus 7 – The Arrival“ mit seiner jubilierenden Hook direkt mal in die Vollen und zeigt, dass LORDI hier durchaus mit Leidenschaft an dieses in seiner Gesamtheit doch übersättigende Vorhaben herangegangen sind. Groß ist auch das kleine aber feine „Maximum-O-Lovin'“, in dem der namensgebende Fronter so richtig schön funky aus sich rausgeht.
Liebevoll intonierter Retro-Rock mit LORDI-Geschmack
Das große, epische Highlight von „Skelectric Dinosaur“ ist hier aber zweifelsohne „The Tragedy Of Annie Mae“, das mit stimmungsvollen Gitarrenmelodien, einer überlebensgroßen Hook und einem dramatischen Finale allererster Güte aufwartet. Wahrhaftig: Mit diesem Song könnte man den Finnen glatt den Background wenn schon nicht als Band aus ebendieser Zeit, dann zumindest als hochklassige Retro-Rock-Kapelle abkaufen, wenn da nicht das aufdringliche Organ des Fronters wäre. Der gibt sich natürlich alle Mühe, sich stets den Grooves anzupassen, aber das Monster-Raunzen geht vor dem Blues-Rock-Backdrop nach und nach dann doch ein wenig auf den Keks, sodass es in den weniger spektakulären Momenten von „Skelectric Dinosaur“ schwer fällt, das Dargebotene ernst zu nehmen. Immerhin kaschieren die mehrstimmigen Hooks hier eine ganze Menge, sodass diese definitiv der rettende Anker für gebeutelte Hörer darstellt.
Fernab der erwähnten Highlights, in denen LORDI wie eine ausgesprochen routinierte und brillante Retro-Rock-Band klingen, machen sie eher den Eindruck einer auf der Welle mitschwimmenden Retro-Rock-Kapelle aus dem Mittelfeld. Zwar ist hier nichts wirklich schlecht, aber man merkt schnell, dass der Sound nicht wirklich für die Band gemacht ist. Sie macht natürlich das beste draus und der glaubhafte Sound leistet ganze Fußarbeit, um ausreichend Authentizität in die Sache reinzubringen. Aber gerade wenn sich die Finnen an Stoner-lastigeren Cuts wie „The King On The Head Staker’s Mountain“ oder „Blow My Fuse“ zu schaffen machen, die definitiv nicht auf die peppige Energie eines „Maximum-O-Lovin“ zugeschrieben sind, zeigt sich diese Schwäche deutlich. Das tut sie aber auch in „Starsign Spitfire“, dessen Hook ein kleines bisschen zu verhungern scheint.
Ein guter, aber nicht überragender Einstieg in „Lordiversity“
Dennoch darf man durchaus den Hut ziehen aus dem, was LORDI aus dieser „Ära ihres Schaffens“ hervorgezaubert haben und wie konsistent das Ergebnis am Ende doch klingt. Man muss seine Erwartungen natürlich ein Stück weit drosseln, bekommt aber ein paar schicke Hits und im gesamten einen durchaus genießbaren Liebesbrief an den Sound der Siebziger serviert. Blues-Riffs, soulige Refrains, Cowbell, jede Menge Grooves mit Hüftschwung-Garantie und ein Songwriting, das das Quellenmaterial mit Respekt bearbeitet, machen aus „Skelectric Dinosaur“ eine insgesamt runde Angelegenheit. Zwar keine Highlights am laufenden Band liefernd kommt man als Genießer angestaubter (und angestaubt klingender) Rock-Klänge hier voll auf die Kosten – sofern man denn Lordis Gesang auf Albumlänge ertragen kann.
Kann mich dem nur anschliessen, ausseredem hätte das Album etwas länger sein können, und ohne das Intro und Outto auskommen sollen!