Long Distance Calling - Ghost

Review

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Nur einige Monate nach dem Release ihres aktuellen Albums, dem Soundcheck-Gewinner „How Do We Want To Live“, begaben sich LONG DISTANCE CALLING erneut ins Studio, um die Corona-Zwangspause möglichst effektiv zu nutzen. Das Ergebnis ist die gut halbstündige EP „Ghost“, deren Schaffensprozess ein ganz besonderer war. Anders als die meisten Veröffentlichungen der Band – und fast aller Bands – ist die EP im Rahmen einer nur wenige Tage dauernden Jam-Session entstanden und live eingespielt worden. Ohne vorheriges Schreiben oder anschließendes Editing, wie uns Basser Jan Hoffmann im Interview erzählt. Diese Herangehensweise haben LONG DISTANCE CALLING bereits bei ihrer 2014er EP „Nighthawk“ angewandt, und auch dieses Mal hat sich das Unterfangen als äußerst fruchtbar erwiesen.

„Ghost“ bietet eine interessante Rohheit

Nach einem kurzen Intro startet „Ghost“ mit „Old Love“ in den ersten richtigen Track. Dieser beginnt loungig und erinnert ein bisschen an die musikalische Untermalung einer Wetter-Webcam, bevor er in die Gänge kommt. Vielleicht etwas zu spät setzen etwa im letzten Drittel die Gitarren richtig ein und es ergibt sich ein dichtes Klangbild verschiedener Schichten. Melancholisch und verträumt wird es beim zu Anfang triphoppigen „Black Shuck“. Ihren „Ghost“ versuchen LONG DISTANCE CALLING mit dem dritten Track „Seance“ herbeizurufen. Dieser beginnt mit einem pulsierenden Brummen und verzerrten Gitarren, und entwickelt sich trotz seiner Synthlastigkeit zum einem der düstersten und härtesten Stücke auf dem Album. Vor allem hier kommt die unbearbeitete Rohheit der Instrumente zur Geltung.

LONG DISTANCE CALLING können sich ihrer Sache sicher sein

Angesichts der Aufnahmesituation und des Titels „Fever“ (vgl. Cabin Fever) könnte man LONG DISTANCE CALLING einen Lagerkoller unterstellen. Zwischen seinem Vorgänger und dem finalen Track „Negative Is The New Positive“ geht „Fever“ ein wenig unter, wenngleich sich der Song durchaus sehen lassen kann. Der Rausschmeißer greift noch mal ordentlich in die Düsterkiste und besticht durch fast doomige Passagen. Ein dämonisch anmutender, rückwärts abgespielter Spracheinspieler dürfte dann wohl den herbeigerufenen Geist symbolisieren.

Anders als im Klischee-Horrorstreifen kann also durchaus etwas Gutes dabei rauskommen, wenn sich ein paar Freunde zusammen in eine abgelegene Hütte zurückziehen. Im Fall von LONG DISTANCE CALLING hat der Trip ihren Fans eine stellenweise aus naheliegenden Gründen experimentell wirkende EP beschert, die von einer angenehmen Rohheit und Spontaneität geprägt ist und zu keiner Zeit planlos wirkt. Experiment erneut geglückt.

21.02.2021

headbanging herbivore with a camera

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