Locus Neminis - Weltenwanderung

Review

Es hat schon was von schicksalshafter Fügung, wenn ich auf eine mir bis dato völlig unbekannte Band stoße, just an dem Tag, an dem sie ihr Debütalbum veröffentlicht. Und das nur, weil sich jemand im Netz die Mühe gemacht hat, ein paar Bands zusammenzustellen, die er unter dem Begriff ’space black metal‘ einordnet.

Keine Frage, das Cover sieht schon sehr spacig aus, auch das Namenslogo weckt mit seiner Mondsichel gewisse Assoziationen Richtung Schweiz, doch es ist vor allem der Sound der Österreicher, der hier genau die richtige Atmosphäre aufkommen lässt. Allein die Akkordfolgen, die Melodien vom ersten Stück „Spiegel der Vergangenheit“ strahlen einen majestätischen Glanz mit derart cinematischer Wirkung aus, dass man sofort in ihr Universum hereingesogen wird. Genau das hat die Band aus Linz gewollt, und sie erreichen das mit beeindruckender Eleganz und Klanggewalt.

Die Raserei, die hämmernden Midtempo-Passagen, die Synthesizer – sie, und eine Produktion zum Verlieben. Was LOCUS NEMINIS hier in Eigenregie erreicht haben, ist nah dran an dem, was DARK FUNERAL und DIMMU BORGIR einst aus den Abyss Studios in die Welt herausgetragen haben. Brettharte Gitarren, und dann dieser schöne Hall auf dem Schlagzeug, der den Anschlägen vor allem in den gemäßigten Passagen soviel Wucht verleiht, bringt einen direkt zu all den Alben zurück, die gegen Ende der 90er das Licht der Welt erblickten. Wenn man hier dann noch mit Namen wie EMPEROR oder LIMBONIC ART jongliert, ist das keinesfalls zu hoch gegriffen, auch jüngere Bands wie CONTROL HUMAN DELETE bieten sich zum Vergleich an.

LOCUS NEMINIS geben sich nicht kleinlich und fahren neben einer gewaltigen Produktion vor allem gewaltige Songs auf. Stücke wie „Wenn die Nacht den Tag verdrängt“ oder „Ein neuer Anfang“ zeigen ihr Talent für eine absolut bestechende Atmosphäre mit herrlich altmodischen Synths, die zu keiner Sekunde antiquiert klingen. Statt eindimensionaler Flächensounds bemühen sie das ganze Ensemble, von Piano bis zu Streicherklängen, und sorgen zusammen mit solofreudigen Gitarren für mitreißende Gänsehautmomente.
Ob akustische Intermezzi als kurze Ruhepole oder Hochgeschwindigkeitsraserei, die sich bis ins Unmenschliche steigert („Die Begegnung“) – LOCUS NEMINIS beweisen in ihren komplex arrangierten Songs mehr als einmal ihr Händchen für eine gelungene Dramaturgie und sozusagen ihr Ohr für mächtige Inszenierungen. „Virus“ bebt und donnert so intensiv, von melodischen Death-Metal-Parts über aggressives Getrümmer bis hin zu seinem packenden Soloangriff, dass man kaum an sich halten kann, während man bei „Totes Licht“ die Kälte des verlassen durchs All fliegenden Meteors förmlich spüren kann. Mal abgesehen davon ist es auch immer erfrischend, eine Band in der eigenen Muttersprache zu hören. Egal ob flüsternd, keifend, kreischend, growlend oder gesprochen: Deutsch in passender Phrasierung klingt wirklich angemessen fies und düster, und Sänger Xarius leistet hier ganze Arbeit.

Mit „Die Begegnung“ findet das Album einen mehr als würdigen Abschluß. Das gesamte symphonische Potential wird noch mal voll ausgespielt, bevor wir mit ihnen in die verschlingende Leere des Alls rasen. Doch wie alles, was von der Gravitation großer Himmelskörper angezogen wird, macht auch das 24-Minuten-Epos nochmal eine Wendung. Wähnte man sich eben noch in Gefahr, auf einen öden Ambient-Dauertrip geraten zu sein, donnert eine rohe und ungestüme Reprise von „Totes Licht“ über den Hörer herein. Selbst mit diesem charmanten Demoflair entfacht der Song sein flammendes Feuer, so dass man sich auch das gesamte Album in dieser ungeschliffeneren Interpretation vorstellen kann. Genau darin liegt die Magie von LOCUS NEMINIS‘ Sound. Sie klingen vielleicht nicht einzigartig, aber authentisch genug und mit einer eigenen Signatur, die sich wie ein roter Faden durch ihr Werk zieht.

Über solche Zufallsfunde kann ich gar nicht dankbar genug sein. Und mit LOCUS NEMINIS haben wir ab sofort einen ganz neuen, heißen Favoriten auf der Black-Metal-Landkarte. Meinetwegen auch im All.

23.04.2012

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