Lizzard - Mesh

Review

Galerie mit 21 Bildern: LizZard - Turning Wild Tour 2018

Hier ist ein Satz fürs Phrasenschwein: Was sich spätestens auf „Eroded“ bemerkbar gemacht hat, wird mit dem neuen Album „Mesh“ nun konsequent weitergeführt und vertieft. Die Rede ist vom neuen Album des in Frankreich beheimateten Trios LIZZARD, eine Band mit Anfängen in dem, was man möglicherweise als Alt-Prog bezeichnen kann. Man höre sich hierzu nur Alben wie das Debüt „Out Of Reach“ im Vergleich zum genannten 2021er Album an. Man bewegte sich fortwährend mehr in Richtung des „reinen“ Alternative, wobei Elemente von Prog, bisweilen auch Stoner, immer mitschwingen. Dank der kantigen, straffen Grooves und herausragenden Gitarrenarbeit scheinen Zeitgenossen der Marke KARNIVOOL oder WHEEL (aus Finnland) nie allzu weit entfernt.

LIZZARD liebäugeln auf „Mesh“ mit Post-Grunge

Und doch hat die Band es irgendwie geschafft, das Ganze vollkommen integer und ehrlich klingen zu lassen, ohne den Anschein zu erwecken, dass sie ihre Identität irgendwie kompromittieren müssten. Die Entwicklung wirkt natürlich. Und so wundert es wenig, dass auch „Mesh“ wieder ausgesprochen gut geworden ist, auch wenn es für den Verfasser dieser Zeilen eher Liebe auf den dritten Hör gewesen ist. Warum? Weil „Mesh“ vermehrt in Richtung Post-Grunge schielt, etwas, worauf unsereins üblicherweise hochallergisch reagiert. Denn der Radioschmalz, vor allem jener aus den 2000ern, ist jetzt nicht so unbedingt ein Favorit in der Playliste des Verfassers, jedenfalls nicht im Sinne der radioformatigen Standards.

Warum funktioniert’s hier also? Die Entwicklung der Band macht sich im Sound deutlich bemerkbar und füllt die Songs mit Leben, selbst wenn es wie in „Home Seek“ mal etwas schmalziger zu werden droht. Ja, dieser Track im Speziellen klingt wie etwas, was man bei Radio BOB hören könnte, nachdem der VJ von männlichem Rock mit Klöten gesprochen hat, den es nur bei ihnen im Airplay gäbe. Und doch ist der Song nicht zum Fortlaufen dank reichhaltig texturierter Gitarren und einem ansprechenden Instrumental-Part mit angenehmer Post-Rock-Einfärbung. Und hey! Der große Kritikpunkt der letzten Platte, dass Fronter Mat Ricou noch etwas an seinem Stimmvolumen arbeiten könnte, wurde hörbar adressiert, was beim Genuss ungemein hilft.

Ob das gut gehen kann?

Was auch hilft, ist ordentlich Fuzz und Volumen auf der Klampfe und im Bass, wodurch sich eine raumgreifende Wärme in den Riffs bemerkbar macht. Egal ob diese zackig durch die Boxen gejagt werden wie im energetischen Opener „Unity“ oder eben sanfter aufgetragen werden wie im instrumentalen Titeltrack, sie lassen „Mesh“ stets mit ordentlich Präsenz durch den Äther gleiten. Eine hergebrachte, alte Qualität im Sound ist schließlich Katy Elwells Schlagzeugspiel. Die Dame fasst das Geschehen gewohnt souverän in ein straffes, rhythmisches Korsett ein, was Songs wie dem fast schon sonnig klingenden „New Page“ etwas mehr Urgenz verleiht, ohne ihn zu sehr zu zerklöppeln.

Gleichzeitig verankert die kantige Rhythmik das Gehörte unmissverständlich in der Moderne, auch wenn die Sounds durchaus ein bisschen 2000er-Nostalgie erwecken könnte, wenn es denn so etwas gibt. Und LIZZARD drehen durchaus ihr eigenes Ding, wie im leicht mit Prog-Note gewürzten „Elevate“ oder dem folgenden „Black Sheep“ zu hören, wo sich die frühen Einflüsse der Band merklich in den Sound zurückkämpfen möchten. Dass der stringentere Rock-Sound hier letztlich die Überhand behält, zeugt von der Konsequenz der Umsetzung und davon, dass die Band hinter ihrer Entwicklung zu stehen scheint, was man ihr durchaus anrechnen kann.

Das Trio bewahrt tatsächlich ein geschicktes Händchen

Dass der Titeltrack und „Minim“ beide relativ kurz sind und aufeinander folgen, wobei letztgenanntes Stück als Intro für den Rausschmeißer „The Beholder“ dienst, tut der Substanz wenig Abbruch, auch wenn es sich strukturell ein bisschen anfühlt, als wäre vor dem Finale etwas Leerlauf eingekehrt. Da hätte man den Titeltrack vielleicht besser an den Anfang gestellt. Nicht, dass dies das Album zerrüttet, aber man merkt die Leere schon ein bisschen. Und vielleicht wäre neben dem Opener noch mindestens ein weiterer Song mit ordentlich Drive wünschenswert gewesen, da der Rest schon eher auf der ruhigen Seite beheimatet ist. Die Kritikpunkte muss man also schlucken können, aber wenigstens stellen LIZZARD mit „Mesh“ ihre Relevanz auch so einmal mehr unter Beweis.

19.09.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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