Lindemann - F & M

Review

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Till Lindemann macht den Doppelschlag mit „F & M“ nun komplett: Nachdem er „Rammstein“ mit seiner gleichnamigen Stammkapelle im Mai veröffentlicht hatte, folgt nun das neue Album mit seinem Projekt LINDEMANN, für das er sich bekanntermaßen mit dem schwedischen Arbeitstier Peter Tägtgren zusammengetan hat. Die interessante Frage ist natürlich vor allem: Wo steht das neue Album im Vergleich zu „Skills In Pills“, dem ersten noch etwas unbeholfenen Gehversuch dieses Projektes in voller Länge? In mindestens einem Punkt ist schon mal Besserung zu verzeichnen: Till verschont uns auf „F & M“ mit seinem denglisch und schustert wieder ausschließlich bei seinen deutschsprachigen Leisten.

Mehr PAIN als RAMMSTEIN

Insofern schalten LINDEMANN also zumindest diese Quelle unfreiwilliger Lustigkeit aus. Bleiben die Texte an sich, die wirken auf „F & M“ aber doch eher knuffig. Zumindest verzeiht man ihren klobigen Cheese-Faktor vor dem musikalischen Hintergrund von „F & M“ noch etwas eher als auf „Rammstein“, da Peter Tägtgren mal wieder die Industrial-Tanzfläche zum Brennen bringt und beide im Tandem generell so befreit klingen, als hätten sie einen Heidenspaß bei den Aufnahmen gehabt. Workaholic Tägtgren hat ja auch wieder ein produktives Jahr erwischt, erst mit der zu Beginn des Jahres angekündigten neuen HYPOCRISY-Platte und nun eben der Veröffentlichung des neuen, hier vorliegenden Albums „F & M“ mit der ikonischen RAMMSTEIN-Stimme.

Und die beiden scheinen speziell heuer auch wie füreinander gemacht zu sein: „F & M“ ist vor allem in seinen kernigeren Momenten im Grunde ein PAIN-Album mit Lindemanns Stimme, weshalb man nicht den Fehler machen sollte, das Teil mit aller Gewalt mit RAMMSTEIN in einen Topf werfen zu wollen. Das Album ruft mal Tägtgrens atmosphärischere Industrial-Metal-Banger in Erinnerung, mal lugt „F & M“ etwas mehr in die etwas orchestralere Moderne von PAIN. Letzteres wundert sicher wenig, denn wie schon auf dem Vorgänger und auf „Coming Home“ hatte bei den Arrangements auch Clemens Wijers (CARACH ANGREN) seine Finger im Spiel.

LINDEMANN täuschen mit „Mathematik“ an …

Unsereins hatte ja anfangs Sorge, dass die Platte qualitativ auf das bereits im vergangenen Jahr vorausgeschossene „Mathematik“ aufschließen würde. Nicht nur in seiner ursprünglich veröffentlichten Fassung ein Song mit Haftbefehl, was ja schon Panne genug ist, sondern auch für sich genommen ein furchtbarer, wahrscheinlich nicht mal unironischer Crossover-/Rap-Metal-Track, der selbst auf „Skills In Pills“ peinlich ausgesehen hätte. Zum Glück hatten die hiesig Beteiligten scheinbar das Gleiche gedacht und diesen verunglückten Vorab-Song zum Bonustrack der limitierten Edition von „F & M“ degradiert, sodass wir uns nicht zu sehr damit aufzuhalten brauchen.

Da bleibt mehr Gelegenheit, die Hits von „F & M“ zu würdigen, von denen es einige gibt. Ein solcher eröffnet die Platte gleich mal: „Steh auf“ tritt die Türe mit Schwung ein, gekleidet in die gleiche Art Synthie-Streicher, die schon etwa ein „Black Light Satellite“ von „Coming Home“ gewinnbringend verziert haben. Das folgende Doppel bestehend aus „Ich weiß es nicht“ und „Allesfresser“ steigt etwas tiefer in die köstliche, Synth-getriebene Käsigkeit von PAIN, speziell der „Cynical Paradise“-Phase. „Blut“ geht chronologisch sogar noch weiter zurück in atmosphärischere PAIN-Gefilde und klopft gar bei „Dancing With The Dead“ an.

… und schlagen mit „F & M“ zu

Im Mittelteil der Platte öffnen LINDEMANN die stilistische Palette von „F & M“ dann etwas mehr, beginnend mit „Knebel“. Den Anfang macht eine Akustische, die mit Lindemanns Gesang zusammen eine seltsam morbide Lagerfeuer-Ästhetik heraufbeschwört, bevor der Song dem Hörer plötzlich aus heiterem Himmel um die Ohren fliegt. „Ach so gern“ wird in Form eines von Jonas Kjellgren (RAUBTIER) inszenierten, stimmungsvollen Tangos dargeboten. Wem das zu exotisch ist, findet den Song aber auch in der „Pain Version“ als Bonustrack der limitierten Version vor.

„Schlaf ein“ ist ein nach klassischem RAMMSTEIN-Gusto verdreht anmutendes Kinderliedchen, das in einem pompösen Orchestral-Gewand daherkommt, mit seiner vergleichsweise seichten Art insgesamt aber das qualitative Schlusslicht von „F & M“ bildet, auch wenn der Song alles andere als schlecht ist. Dafür lässt die Platte mit dem folgenden „Gummi“ wieder PAIN-mäßig denselben auf der Straße, während das atmosphärischere „Platz Eins“ möglicherweise nicht ganz ohne (kritische?) Selbstreferenz von Seiten Lindemanns daherkommt. Den regulären Abschluss bildet dann „Wer weiß das schon“ in schwermütiger Manier, bei dem die orchestralen Arrangements so richtig unter die Haut gehen.

LINDEMANN schmeißen eine rauschende Industrial-Party

In seiner Gesamtheit überrascht „F & M“ doch durchweg positiv mit seiner ungehemmten Ausgelassenheit, gerade wenn man den Vorgänger noch präsent im Ohr hat. Mit „Rammstein“ lässt sich das natürlich nicht messen, aber irgendwie machen LINDEMANN auch zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, als wäre das je das Ziel gewesen bei den Aufnahmen. Stattdessen bekommen wir – für den Fall, dass das nicht schon aus der Argumentation hervorgegangen sein sollte – ein PAIN-Album mit Lindemanns Gesang. Und ein gelungenes noch dazu, das zumindest in der regulären Trackliste keine wirklichen Ausfälle zu vermelden hat. Die Chemie stimmt zwischen den Protagonisten und dadurch macht die Platte einfach nur richtig viel Spaß.

Und über „Mathematik“ legen wir an dieser Stelle einfach mal ganz elegant den Mantel des Schweigens…

23.11.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu Lindemann - F & M

  1. mr.cb sagt:

    Für mich auf jeden Fall das bessere Rammstein… Egal ob Rammstein bald in Rente gehen oder nicht, ich hoffe das Projekt Lindemann besteht noch lange 👍

    9/10
  2. royale sagt:

    gestern die Scheibe bekommen und finde das Album echt cool, viele „Mitgröhlnummer“. Einen Vergleich zum letzten Rammstein Album hab ich nicht, da ich vom aktuellen Album glaub nur 2-3 Nummern kenne.

    8/10