Ich muss ja zugeben, dass ich Moment Of Collapse Records nach der an einen Totalausfall grenzenden Veröffentlichung von REPUBLIC OF DREAMS mit einer gehörigen Portion Skepsis gegenüberstand. Als ich jedoch die Briten von LIGHT BEARER als Teilnehmer einer Split-Veröffentlichung (die sowohl als Gatefold-LP als auch auf CD erhältlich ist) über eben jenes Label erblickte, hellte sich meine Stimmung deutlich auf – konnte mich der Sechser mit „Lapsus“ doch richtig und dauerhaft umhauen.
Doch los geht’s zunächst mit den Amis von NORTHLESS, von denen ich zugegebenermaßen bisher nichts gehört habe. Der Dreier aus Milwaukee, Wisconsin, trägt zur Gemeinschaftsveröffentlichung zwei Songs bratzigen Sludge Metals bei, die laut Label-Info die ersten Aufnahmen seit dem Album „Clandestine Abuse“ darstellen. Schon der Opener „Tears From Crime“ zeigt nach wenigen Sekunden die Stärken NORTHLESS‘ auf: Dort nämlich, wo die heruntergestimmten Gitarren ihre vertrackten Motive – die, wie ich neidlos anerkenne, allein schon ein Trademark der Band darzustellen vermögen – verlassen und sich in beinah schwarzmetallische Höhen aufschwingen, versteckt sich eine zusätzliche atmosphärische Dimension, die dem leicht überdurchschnittlichen Sludge der Band zusätzlichen Pfeffer verleiht. NORTHLESS zeigen dabei ein beachtliches Gespür für die richtige Balance zwischen den leicht polyrhythmischen Gitarrenwänden in der Tiefe und genannten Ausflügen in die Höhe. Allein die Vocals wollen sich in meinen Ohren nicht stimmig einfügen, so dass der Eindruck der gut vierzehn Minuten insgesamt zwar positiv ist, die beiden Songs mich aber nicht gänzlich überzeugen können. (7/10)
Nun sind LIGHT BEARER an der Reihe: „Celestium Apocrypha: Book Of Watchers“ ist ein fast 22minütiges Monstrum, das auf dem Buch Enoch beruht und somit das lyrische Konzept von „Lapsus“ aufgreift und weiterführt. Auch musikalisch hätte das Stück – hat man sich erst einmal durch die etwa vier Minuten andauernden Soundscapes am Anfang gekämpft – ohne Schwierigkeiten auf die Full Length gepasst. Diejenigen, die mit „Lapsus“ und insbesondere dem Titeltrack vertraut sind, wissen hiermit, was sie erwartet; diejenigen, die LIGHT BEARER nicht kennen, müsste ich eigentlich an dieser Stelle auf die Folter spannen und erst einmal auf „Lapsus“ verweisen, aber ich will mal nicht so sein: „Celestium Apocrypha: Book Of Watchers“ bietet Sludge/Post-Hardcore vom Feinsten, dessen Wechselspiel aus unglaublichen Gitarrenwänden und ruhigen Abschnitten, die teilweise in Richtung Postrock abdriften, zum Trademark der Band geworden ist. Entscheidend und meines Wissens einzigartig sind hier zwei Dinge: Einerseits wäre da die emotionale Tiefe, die durch die Dynamik der Musik, aber auch (und damit wären wir beim „andererseits“) durch die fantastische Harmonik zustande kommt. LIGHT BEARER verstehen es meisterhaft, ihre im Grunde sehr einfach gestalteten harmonischen Wege durch großartige Vorhalte, zusätzliche Fremd-Intervalle und die gesamten Arrangements wahnsinnig interessant zu machen und verleihen der Musik dadurch eine zusätzliche Ebene. Leider muss der geneigte Hörer an dieser Stelle auf ähnlich berührende Streicher wie im Titelsong des Albums und auch auf klaren Gesang (weitgehend) verzichten, nichtsdestoweniger ist „Celestium Apocrypha: Book Of Watchers“ eine weitere Demonstration der Fähigkeiten der Ausnahme-Formation. Und wer das nicht glaubt, kann sich mal auf der Facebook-Seite LIGHT BEARERS umschauen, wo es den Song der Split für lau zum Download gibt. (9/10)
Zwei Dinge kann ich also abschließend feststellen: 1. Ich muss dringend mal frühere NORTHLESS-Veröffentlichungen antesten. 2. „Lapsus“ war keine Eintagsfliege und man darf von LIGHT BEARER noch Großes erwarten.
Fettes Ding. Geil. Hoffentlich bringen LIGHT BEARER bald mal was neues.