Letzte Instanz - Ewig

Review

Sie kennen mich sicher als denjenigen, der einigermaßen konsequent über sämtliche Alben der LETZTEn INSTANZ seit der Holly-Ära gegrummelt und sich damit eine überdurchschnittliche Anzahl bissiger Kommentare eingefangen hat. Und der daraufhin mit eben jenem Holly eines dieser verschnupften „warum klingt ihr nicht mehr wie früher“-Interviews führen musste. Jetzt rezensiere ich also auch das neue Album. Und ich möchte nicht so weit gehen, dass ich meine damaligen Einschätzungen aus objektiver Sicht bereuen oder zurücknehmen wollte. Aber auf „Ewig“ hat die Band ihren neuen Stil derart schlüssig manifestieren können, dass selbst ich ihn mittlerweile verstehe. Immerhin sollte man von Musikern nicht erwarten, dass sie als Familienväter mit Kindern noch dieselben Lieder schreiben, wie sie es mit 20 getan haben. Die immer beständig werdenden Lebensverhältnisse führen zwar nicht selten zu einem Verlust von rebellischer Brachialromantik, können aber in einen Zustand münden, den man in Reviews gerne mit „eine Band reift in Würde“ umschreibt. Empfand ich die „Wir sind Gold“ oder „Schuldig“ in dieser Hinsicht noch etwas schizophren, muss ich vor dem neuen Album meinen nicht vorhandenen Hut ziehen.

Mit dem rauen Mittelaltergothic der Frühphase hat das natürlich nichts mehr zu tun. Es ist eher so, dass die Band ihr Songwriting auf ein beeindruckendes Niveau verfeinert und mit feinen Akzenten individualisiert hat. So ein Lied wie „Blind“ wäre von einer frühreifen Newcomerband weder textlich noch musikalisch denkbar gewesen, was umso ironischer ist, weil ausgerechnet hier EISBLUME-Sängerin Ria den einzige Gastauftritt des Albums gibt. Stellvertretend hätte aber auch so gut wie jeder andere Song hier genannt werden können. Wo auf „Ins Licht“ noch mit zahlreichen Melodien und Spielereien demonstriert werden musste, wie viel Spaß man an der Musik hatte, ist man hier selbstbewusst genug, mit stilsicherer Einfachheit vorgehen zu können. Gleichzeitig entwickeln sich viele Arrangements in ungewohnte Richtungen und brechen den vertrauten Wechsel von Strophe und Refrain. Man bekommt den Eindruck: Jeder Ton sitzt perfekt. Jeder Akkord macht in seinem Umfeld größtmöglichen Sinn. Nicht jede Band kann aus einem so unhandlichen Song wie dem Titeltrack „Ewig“ einen Opener machen. Hier ist es nicht nur ein Zeichen von Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sondern auch in seiner Wirkung absolut weltklasse.

Ebenfalls fällt auf: Selten zuvor wurden so konsequent mehrere Genres zusammengebracht. Während „Sing!“ und „Von Anfang An“ klassische Live-Rocker sind, gibt es in „Nur Für Uns“ und „Wieder Einmal Rot“ eine erfrischende Folk-Schlagseite. Mich persönlich freut außerdem, wie funktionierend metallastig der Mittelteil geworden ist. „Tausendschön“ ist zwar ein paar Umdrehungen zu lang geworden, „Schwarzer Sand“ und „Schuld“ trösten darüber aber mit fantastischem Mosh-Potential hinweg. Auch die Produktion umschmeichelt diesmal die verschiedenen Facetten der Band sehr angenehm. Haben sich die härteren Songs zuletzt nämlich noch ein wenig wie Fremdkörper angefühlt, steht die Gitarre diesmal fett abgemischt im Vordergrund, ohne jedoch auf ruhigeren Songs zu viel Raum einzunehmen.

Leichten Punktabzug gibt es lediglich dafür, dass einige wenige Lieder nach einer Weile spürbar einbrechen. Aber das sollte lediglich die Statistiker unter uns interessieren. Tatsächlich ist „Ewig“ eine der am cleversten komponierten Platten, die ich in den letzten Monaten gehört habe. Sie erweitert die eigentlich etwas trägen Genres des Gothic- und Mittelalterrocks außerdem um einige neue Facetten, die zwar radiotauglich anmuten, tatsächlich aber von Reife zeugen. Und das auf abendfüllender Basis, mit über einer Stunde Spielzeit. Selten habe ich mich bei einer Band so gut aufgehoben gefühlt.

24.08.2012
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