Progressive Bands, die versuchen, sich einem breiteren Publikum zu öffnen, haben es bei ihren Hardcore-Fans und der Szene im Allgemeinen selten leicht – das haben LEPROUS bereits mit „Malina“ ein Stück weit zu spüren bekommen. Das letzte Album der Norweger lockerte den Sound etwas auf und machte ihn zugänglicher, was nicht jedem gefiel, der zum Beispiel mit „Bilateral“ zur Band gefunden hat. Nun folgt neue Scheibchen „Pitfalls“ – und die hiervon voraus geworfenen Schatten deuteten bereits an, dass diese Entwicklung weitergehen würde. Für Einar Solberg bedeutet die Beschaffenheit von „Pitfalls“ allerdings eine Menge. Denn liegt hier ein sehr persönliches Werk vor, das inhaltlich von den Ängsten und Depressionen des norwegischen Goldkehlchens geprägt ist.
Die Light-Version von LEPROUS?
Das ändert natürlich nichts daran, dass die neue Platte ein Zankapfel sein wird, wie es schon „Malina“ ein bisschen gewesen ist. Immerhin geistern bereits Begriffe wie der einer entkoffeinierten Version der Band durch das Netz. In der Praxis ist „Pitfalls“ glücklicherweise nicht ganz so schlimm ausgefallen. Dennoch muss man LEPROUS attestieren, ihren Kaffee längst nicht mehr (nur) mit Espresso-Bohnen zu kochen. Stattdessen ist ein Großteil der neuen Scheibe in etwa vergleichbar mit Melitta Harmonie Mild. Das heißt übersetzt für Kaffeemuffel, dass das Album nicht ganz so gehaltvoll ausgefallen ist wie das frühere Schaffen der Band. Es bleibt jedoch in weiten Teilen mehr als genießbar und als Kaffee bzw. LEPROUS wiedererkennbar.
Natürlich haben sich die Norweger keinen Gefallen getan hinsichtlich des Ersteindrucks, den das neue Album hinterlässt. Denn die schwächsten zwei Tracks nehmen den Hörer direkt in Empfang. Auf der einen Seite ist die eröffnende Single „Below“ lediglich bemüht, eine düstere Stimmung zu schaffen, kämpft aber trotz geschmack- und stimmungsvollen Synthesizern und Streichern mit mangelndem Nachdruck. Noch enttäuschender verhält es sich mit dem folgenden Indie-Pop-Söngelchen (!) „I Lose Hope“, das wie Pappmache anmutet und kaum den Eindruck von der im Songtitel versprochenen Hoffnungslosigkeit hinterlässt. Von hier an kann es eigentlich nur bergauf gehen.
Der Geschmack von „Pitfalls“ kommt erst nach und nach
Tut es zum Glück auch, denn dem etwas enttäuschendem Doppel zu Beginn der Platte folgend zieht die Qualität der Songs mehr und mehr an. „Observe The Train“ gleitet dem groben Thema angestrebter Ausgeglichenheit untergeordnet wunderschön und in sich ruhend dahin, während das Sinnbild eines Zuges, den man einfach an sich vorbeifahren lassen sollte, wunderbaren Stoff für psychologische und philosophische Sophistereien bietet. „Alleviate“ ist technisch gesehen nicht weniger Pop als „I Lose Hope“, bietet aber deutlich mehr Dynamik und bleibt daher, aber auch dank seiner fast lächerlich pompösen Hook länger im Gedächtnis haften.
In der zweiten Albumhälfte kehrt ein Stück Vertrautheit ins musikalische Haus der Norweger zurück, wenn sich die Songs plötzlich zu den großen, dynamischen Kompositionen aufbäumen, wie man sie kennt, liebt und erwartet. „Distant Bells“ kokettiert zwar weiter mit den poppigeren Hooks, bettet diese aber in ein deutlich flächigeres, komplexer gewobenes Klanggewand ein, das Einar Solbergs klagende Stimme über weite Strecken mit Streichern und verhaltenen Klaviertupfern allein lässt, nur um dann mit den heiß geliebten, filigran konturierten Riffs zurückzukehren, die auch schon beim vorigen Track „At The Bottom“ für erleichtertes Aufhorchen sorgen.
Wohin des Weges?
Qualitativ gipfelt „Pitfalls“ dann aber endgültig mit dem Rausschmeißer „The Sky Is Red“, bei dem die Fusion zwischen den neuen und alten LEPROUS noch am überzeugendsten gelingt. Die Gitarren zappeln wieder herrlich hin und her, die Rhythmik setzt einschlägige Ecken und Kanten und fordert den bis dahin mehr durch reine, gefällige Klangästhetik verwöhnten Hörer endlich mal heraus. Dazu wertet noch ein Chor den vielschichtigsten Song der Platte im Allgemeinen, aber Solbergs dramatischste Darbietung der Platte im Besonderen noch weiter auf. Da schauen selbst HAKEN hier und da mal neugierig um die musikalische Ecke.
Zugegeben: „Pitfalls“ und die Richtung, in die es zeigt, muss man als Proggie nicht mögen. Schon gar nicht auf Anhieb. Dennoch bleibt die Duftmarke von LEPROUS jederzeit erkennbar, ist nur eben durch die Öffnung des Sounds etwas gaumenfreundlicher geworden, wodurch ein bisschen die charakteristische Kante aufgeweicht worden ist. Entsprechend wird sich natürlich kein gestandener Fan der Band aufregen, wenn die Norweger in ihrem künftigen Schaffen wieder ein paar schwerere Kohlen drauflegen. Doch ein schlechtes Album ist „Pitfalls“ aufgrund seiner etwas mehr dem Pop zugewandten Seite mitnichten geworden.
Das Album hat in jedem Falle eine Tür geöffnet. Wohin diese führen wird, wird sich allerdings erst langfristig herausstellen…
Leprous holen mich seit „Malina“ nicht mehr ab, ich hab mir die ersten 2 Singles angehört und dann entschieden die dritte Singleauskopplung zu ignorieren.
Ist ganz wie bei Opeth: die Fans diktieren nicht den Weg den die Band einschlägt, aber man braucht sich nicht wundern dass Fans von älteren Scheiben auf der Strecke bleiben.
Objektiv gesehen finde ich es schade um die Musiker, denn ihr wahres Potenzial können/wollen sie auf dieser Platte nicht zeigen. Schon bei Malina hatte ich eher das Gefühl dass es nur darum geht zu zeigen, was für eine ach so tolle Stimme Einar Solberg hat.
Ich kann damit sehr gut leben und finde bislang ausgekoppelte Songs sehr stark. Schade, dass du den Weg nicht mitgehen möchest, aber wie du selbst anmerkst will sich die Band nicht wiederholen und scheißt auf die Meinung des Einzelnen: Absolut legitim! Ich freu mich drauf!
Hammer!
Exakt das, was ich zu der Platte und zu ‚Leprous‘ speziell zu sagen hätte. Auch der Verweis zu ‚Opeth‘ wird genau so von mir geteilt. Letztgenannte kann ich leider überhaupt nicht mehr hören, vor lauter Enttäuschung. Schnief. Bei ‚Leprous‘ werde ich einfach nichts neues mehr hören, sondern mich an Vergangenem erfreuen. Ist so.
Werde mit dem neuen Album nicht warm, mir fehlen die Metal Riffs. Ich verstehe diese als wichtigen Gegenpart zu den Vocals, die ganze Wucht die dann sanft aufgefangen wird – und das fehlt jetzt einfach. Aber trotzdem respektiere ich den Mut das Ding einfach Mal so durchzuziehen und zu schauen, wie es ankommt. Wird sicher seine Liebhaber finden. So richtig warm bin ich bisher sowieso nur mit The Congregation geworden, das ist für mich dann aber auch ein Meistwerk. Vielleicht bin ich nicht der typische Leprous Hörer.
oh je…das Album ist noch schwächer als erwartet. Schon Malina war eine Herbe Enttäuschung aber das hier ist noch weitaus schlimmer.
Was haben wir denn da? Einen Solberg der immer mehr zu einer Sängerin und Diva mutiert + eine Hintergrundband. Die Poppigkeit der Musik an sich ist ja nicht mal das Problem. Ich höre selber gerne 80er Pop. Hier ist aber außer den letzten beiden Songs kaum etwas da was nicht in Belanglosigkeit vor sich hin dudeln würde…Dazu eben der mittlerweile für mich kaum zu ertragende Gesang. Dabei war ich ein großer Fan von dem Mann bis inklusive Congregation.
Ach ja, bevor jetzt einer den allseits bekannten Kommentarbereichwächter dumm daher kommt. Das ist alles mein persönlicher Senf zu der Platte. Der Band sei natürlich jede gewünschte Weiterentwicklung vergönnt. Die technischen Fähigkeiten stehen auch außerhalb jeglicher Diskussion
Schade, da wär sicher mehr drin gewesen. Die Experimente mit den doch stark poppigen Soundteppich gehen zu oft nicht wirklich auf. Der fehlende Kontrast zwischen Solbergs Stimme und harten Riffs tut sein übrigens. Viel zu sehr steht seine Stimme meiner Meinung nach im Vordergrund der Songs. So interessante und unkonventionelle Melodien und Songstrukturen wie auf The Congregration sind nur noch vereinzelt zu finden. Natürlich wurde das Album wie gewohnt auf hohen Niveau produziert, doch die auf Malina zumindest schon angedeutete neue Ausrichtung von Leprous ist mindestens kritisch zu sehen.