Alle Bands veröffentlichen heutzutage DVDs. Für frisch gegründete Undergroundbands ist das Medium mittlerweile genauso erschlossen, wie für alteingesessene Major-Helden. Teilweise haben Undergroundbands ihr Live-Manifest aber deutlich mehr verdient. Und wenn übliche Verdächtige alle zwei Jahre eine neue Konzertaufzeichnung rausbringen, bin ich froh, dass es bei dem honorigen Quartett von LEICHENWETTER nach fünfzehnjährigem Bandjubiläum nun auch geklappt hat. Und das pünktlich, nachdem sie im Zuge ihres „Legende“-Albums auch ihre Masken abgelegt haben. Rein optisch kann da also nichts mehr schiefgehen.
Nun ist die Sache, dass LEICHENWETTER theoretisch keine Undergroundband mehr sind, sondern derzeit unter dem Kölner Label Echozone spielen. „Zeitreise“ merkt man das aber nicht an. Abgesehen vom klargestochenen Bild fühlt sich die Konzertaufzeichnung wie ein engagiertes Undergroundprojekt an, dass in erster Linie die eigenen Fans unterhalten soll. Das meine ich erstmal nicht so negativ wie es klingt: Die Tracklist ist umfassend, die Stimmung unter den Zuschauern blendend und die Bühne groß genug, um das 16:9 Format mit jeder Menge Leben zu füllen.
Dennoch kommt es zu Merkwürdigkeiten, die an die Frühphase von Live-DVDs erinnern. Zum Beispiel ist mir unbegreiflich, warum es keinen einzigen Publikumsschwenk gibt, und man allerhöchstens ein paar Arme aus der ersten Reihe ins Bild gereckt bekommt. Auch wurden quasi alle Ansprachen von Sänger Numen rausgeschnitten, was die Songs sehr abgehackt ineinander übergehen, und persönliche Atmosphäre vermissen lässt. Sogar die Abmoderation funktioniert nicht: Die Konzertaufzeichnung bricht nach dem letzten Song mitten in den Dankesworten ab, was nach einem groben Produktionsfehler aussieht. Diese Unausgereiftheit setzt sich leider auch im Bonusmaterial fort. Interviews mit der Band sind ja an sich nie verkehrt, aber die Fragen, die sich der Mann vom eigenen Label am Rand der Gothika 2011 ausgedacht hat, sind an Unwichtigkeit nicht zu übertreffen. Spannender ist da schon eine kommentierte Slideshow mit Fotos aus der Bandgeschichte. Hier bekommt man wirklich etwas vom guten Klima unter den Musikern mit, und kann mitgrinsen, wenn sich Sänger Numen wundert, warum er wie der Graf von UNHEILIG aussieht. Vermutlich hätte man den 50 Minuten langen (!) Beitrag aber auf eine halbe Stunde kürzen können, wenn man sich im Mischraum entschieden hätte, die irgendwann nervigen Schweigephasen zu kürzen.
Wer mit Neuer Deutschen Härte und Gothic Rock etwas anfangen kann, sollte sich unbedingt mal mit der großartigen Diskographie von LEICHENWETTER auseinandersetzen. Aber diese Live-DVD ist in meinen Augen wirklich nur etwas für alteingesessene Fans. Auch wenn die Songs an sich durchweg kurzweilig sind, nagt nicht zuletzt das kaum vorhandene Stageacting der Band stark am Unterhaltungseffekt.
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