Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
“There is a land, the land of greater art
But high mountains hide its heart.
The gods play there, a soft sound of harps
And in the air shine silver stars.”
Es sind schon immer die einfachen Kniffe gewesen, derer sich LAKE OF TEARS bedient haben. Diese Textzeilen aus dem Titeltrack ihres Debütalbums sind gewiss nicht sonderlich elaboriert, aber sie vermitteln doch das Wesentliche, mehr noch: Sie erzeugen Bilder im Kopf. Und das ist eine Sache, die die Musiker trotz eines vermeintlichen Nachteils geschafft haben.
Einfache Kniffe und ein Nachteil
Als nämlich die vier Schweden im Dezember ’93/Januar ’94 für ihr Debütalbum „Greater Art“ ins Studio gehen, haben sie noch keine lange Bandgeschichte hinter sich. LAKE OF TEARS gründen sich 1992 in Borås östlich von Göteborg, zu einer Zeit, als in Schweden gefühlt jeder Heranwachsende in einer Death-Metal-Kapelle involviert ist. Für Daniel Srebrenaric (der in der Folge unter seinem vereinfachten Nachnamen Brennare in Erscheinung tritt), Mikael Larsson, Johan Oudhuis und Jonas Eriksson ist LAKE OF TEARS die erste Station in der Welt der Musik und der erste Anlass, überhaupt ein Musikinstrument in die Hand zu nehmen. Große Erfahrung haben die Vier also nicht, besondere Fertigkeiten an ihren Instrumenten erst recht nicht. Dennoch erschafft die Band etwas, das über das Technische hinausgeht. Die Musik berührt nämlich, etwas, das auf dem Debüt „Greater Art“ bereits zu spüren ist.
Aber nochmal einen Schritt zurück: 1994 ist Death Metal schon gar nicht mehr das ganz große Ding, und viele Bands suchen bereits nach einem Ausweg aus dem allzu eng abgesteckten Terrain. TIAMAT und CEMETARY dürften in einiger Hinsicht Rollenbilder für LAKE OF TEARS gewesen sein: Das gilt beim Gesang, der eher rau und dunkel ist statt auf Grunz und Keif zu setzen. Das gilt für das Gitarrenriffing und die Arrangements, denen viele Freiräume gelassen werden. Und, wie gesagt, das gilt auch für die Öffnung der Musik für Gefühle, statt auf volle akustische Konfrontation zu setzen.
LAKE OF TEARS geben alles
Die Fertigkeiten an den Instrumenten sind eher überschaubar, das Riffing ist einfach – dafür haben die Songs auf „Greater Art“ einen deutlichen Vorzug: Sie kommen schnell auf den Punkt. Beispielsweise hält sich der Opener „Under The Crescent“ nicht mit Intros oder langweiligen Wiederholungen des Eingangsriffs auf. Stattdessen wechseln sich in kurzer Folge Riffs und Strophen mit einem einfachen Gitarrensolo ab, wobei das Tempo variiert. Da wippt der Kopf schon mal mit, und beim flotteren „Eyes Of The Sky“ dürfen im Refrain auch schon mal die Fäuste gereckt werden. Somit sind die Songs eine schöne Verbindung aus reduzierter Gitarrenarbeit und Effektivität.
Dafür werden bei „Upon The Highest Mountain” mit gezupften Gitarren und sanften Keyboards die ganz großen Gefühle angesprochen. In den Strophen ist das Arrangement dagegen extrem skelettiert, die angeschlagenen Powerchords ersterben fast beim Zuhören, um dann in letzter Sekunde doch noch fortgeführt zu werden. Keine Frage, „Greater Art“ ist streckenweise ein Experiment, wie wenig man einsetzen muss, um trotzdem noch eine Wirkung zu erzielen. Dagegen beginnt „As Daylight Yields“ fast schon verschwenderisch mit wütendem Death-Metal-Riffing (und einem klassischen „Ugh!“), um dann doch noch in moderateres Tempo umzuschwenken.
Vielseitig ist „Greater Art“ also: Die Songs spielen sich zwischen Death Metal, rockigen Rhythmen, doomiger Langsamkeit und gotischer Melancholie ab. Darin finden sich einige Passagen mit Wiedererkennungswert, und ab und zu berühren die Melodien. Dass dabei noch die Vorbilder durchschimmern, liegt vermutlich in der Natur der Sache. Wer genau aufpasst, dürfte ein wenig „The Astral Sleep“ und ein wenig mehr „Clouds“ von TIAMAT raushören, und dass CEMETARY einen Einfluss genommen haben, verwundert nicht, kommen die Bands doch aus derselben Stadt.
„Greater Art“ ist vielseitig (und berührt)
Dass bei der Musik insgesamt noch ein wenig Luft nach oben ist, zeigt dann das zweite Album „Headstones“, das nur ein Jahr nach „Greater Art“ in die Läden kommt. Darauf gelingt den vier Musikern das Kunststück, mit ihren bescheidenen Möglichkeiten wirklich das Maximale zu erzielen: Schmissige, berührende Songs mit Wiedererkennungswert und Gänsehautgarantie. Wir werden uns dieses Album in Kürze vornehmen – haltet also in unserer „Blast From The Past“-Reihe die Augen offen.
Nicht zu fassen, daß das von 1994 ist – von den Gitarren her komponierte ich selbst in der Zeit sehr ähnlich – selbst vom Sound her machte ich damals so Zeuch:)
Sehr interessant – ich hab von dieser Band wissentlich noch nie gehört .
Schönes Album, klingt fett nach Proberaum – der primitiv brüllige Gesang fügt sich recht gut ein.
Ich liebe Lake of Tears und hier und da schimmert sicher schon Daniel Brennares enormes Talent durch, mit einfachen Mitteln überragende Lieder zu schreiben, aber das Debut fällt qualitativ schon deutlich gegen den Rest seines Schaffens ab. Ich mein, kann man sich schon alles anhören, mit „Under the Crescent“ hat man sogar einen ersten Hit, ich gehe die Sieben auch mit, aber dann ist Headstones eigentlich ne Zehn und Crimson Cosmos ne Elf.