Lacrimosa - Live In Mexico City

Review

Galerie mit 30 Bildern: Lacrimosa - Wave Gotik Treffen 2013

Vor 24 Jahren begann Tilo Wolff mit LACRIMOSA Geschichte zu schreiben. Viele zuckersüße Tränen sind seitdem vergossen worden und nun liegt mit „Live In Mexico City“ eine umfangreiche Momentaufnahme vor, die einen eindrucksvollen Einblick in die Welt des heutigen Duos bringt. Die schwarze Gemeinde in Mexiko ist sehr groß und aktiv, deutsche Bands sind dort gerne gesehene Gäste und nun kann mit „Live In Mexico City“, der dritten Live-Veröffentlichung der Band, der Abend immer und immer wieder nachgehört werden. Dafür liefern LACRIMOSA, seit 1994 durch die Finnin Anne Nurmi zum Duo gewachsen, ein 21-Track-starkes Werk. Wer die Band kennt, weiß, dass die Stücke meist eine Länge von mindestens vier Minuten aufweisen, der Hörer erhält hier also ein pralles Werk mit sehr viel Spielzeit. Live – und somit auch auf „Live In Mexico City“ werden LACRIMOSA natürlich durch begabte Musiker unterstützt, zu zweit spielen sich die Kompositionen schlecht.

Wolff und Nurmi sind nicht weniger, als die perfekte Ergänzung, resultierend in die Ausnahmeband LACRIMOSA. Schleppende, epische und überwiegend rockige Kompositionen, belebt mit Texten in englischer, deutscher und auch finnischer Sprache. Dabei verlieren LACRIMOSA nie ihre Eleganz, agieren stets mit hohem künstlerischen Anspruch und watschen damit ganz beiläufig seit Jahrzehnten alle Zwei-Akkorde-Bands ab, die den Begriff Gothic Rock so unfassbar falsch interpretieren. Die Fans quittieren dies auf „Live In Mexico City“ mit frenetischem Schreien, erkennen die Stücke sofort, sobald auch nur der erste Ton des jeweiligen Songs angeschlagen wird. Der Jubel ist hörbar aber dezent, ebenso wie die Ansagen von LACRIMOSA, die zurückhaltend und freundlich sind und den Fluss der Atmosphäre nicht stören. Die Fanchöre bei „Der Morgen Danach“ sind besonders beeindruckend, warm und engagiert begleiten die Anwesenden „ihre Band“. LACRIMOSA sind wohlgemerkt in Mexiko (!) und der Text ist deutsch. Sicherlich gibt es gerade bei Veröffentlichungen von Livematerial, noch dazu bei einer derart umfangreichen Diskographie, immer Fans, die sich ganz andere Songs in der Trackliste gewünscht hätten.

LACRIMOSA haben aber selbstverständlich an alle großen Hits gedacht. „Ich Bin Der Brennende Komet“, „Schakal“, „Stolzes Herz“ und „Copycat“ sind sogar Hörern ein Begriff, die die Band nur am Rande verfolgen. Auch wenn es auf der ersten Blick gar nicht so scheinen mag, so sind LACRIMOSA doch eine Band, die live erst richtig aufblüht. Dann erschließt sich, warum die Stücke so lang sind, live machen die stetig anschwellenden Kompositionen erst richtig Sinn und live agiert Tilo Wolff nochmal stärker und euphorischer. Auch wenn mit der Wortwahl bricht und die Kombination aus symphonischen Elementen und krachenden Riffs gewöhnungsbedürftig sein mag – „Irgendein Arsch Ist Immer Unterwegs“ ist ein kleines Highlight geworden und sticht heraus. Selbst wenn LACRIMOSA sich, wie bei „Liebesspiel/Fassade 3. Satz“ mal rifftechnisch weniger verschlungen zeigen, dann merkt man doch immer, dass jeder Schritt durchdacht ist, ohne verkrampft perfektionistisch zu sein. Jede Nuance wurde bewusst gewählt, nichts passiert aus Mangel an Können oder Einfallslosigkeit, eine leise oder einfache Passage bildet immer den Abschluss oder die Rampe für einen epischen Songaufbau. Das Zusammenspiel von Wolff und Nurmi ist vorbildlich, das Zusammentreffen der beiden ist ein wahrer Glücksfall. Der magische Kreis ist erst geschlossen, wenn beide im Song auftauchen, dann springt dieser gewisse Funke über. Wort und Ton greifen bei LACRIMOSA dann wie von Geisterhand geführt ineinander, das eine ist ohne das andere nichts.

Der Ton der Aufnahme ist ebenfalls makellos, die Dosierung von Band und Fanschar fabelhaft und der Stimmung zuträglich. Mal ganz abgesehen davon, dass im Gothic-Bereich eine Menge Bands schon seit Jahrzehnten stetig gute Kunst unter die Leute bringen, kann die Szene sich auch mit besonders treuen und hingebungsvollen Fans schmücken. LACRIMOSA gehören – neben einer handvoll anderen Bands – zu den Formationen, die noch ein Stück mehr zu sein scheinen, die auch über die Szene hinaus bekannt und beliebt sind – nicht nur Mille von KREATOR äußert offen seinen Respekt für die Band. „Live In Mexico City“ ist ein tolles Live-Dokument einer extraordinären Band, die es wohl in der Qualität kein zweites Mal gibt. Für Fans ein Muss und auch für interessierte Neueinsteiger, aufgrund der schönen Umsetzung und der Songauswahl, bestens geeignet. Überraschend ist dies nicht, denn Bands wie LACRIMOSA winken grundsätzlich nichts Halbgares durch.

 

 

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20.07.2014

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