Die aus Savannah, Georgia stammenden KYLESA setzen auch mit ihrem vierten Album wiedererkennbare Spuren aus dem psychedelisch-brachialen Noise-Verständnis früher AmRep-Tage mit von jedem Klischee abgeschälten Punk-Versatzstücken in Verbindung. Dass es ein Gemeinsames zwischen Hardcore und Sludge, Death Metal und Drone usw. gibt, haben auch schon andere Bands zeigen können; es verdichtet sich hier aber zur catchy Formel, zum explosiven Gemisch, in welchem nicht Spielweisen, leicht brutalisiert und aktualisiert, konfrontiert, nicht Kontraste genossen und Brüche inszeniert werden, sondern die gebündelte, das Wort heißt: komprimierte KYLESA-Musik kommt daher als wäre sie ein steinaltes Genre, das nur vor ihnen noch niemand gespielt hat, als wäre sie sich ihrer Tradition bewusst und möchte dennoch Althergebrachtes ablegen. Hier klingt etwas ganz Einfaches, total Naheliegendes und schon oft Versuchtes erfrischend neu und originell.
Vor allem drei Elemente machen die Musik von „Static Tensions“ aus, die sich, wie nicht anders zu erwarten, auf dem Vorgänger „Time Will Fuse Its Worth“ in alle bereits angedeutete Richtungen (etwas mehr Mut zum Heavy, etwas mehr Mut zur Melodie) weiterentwickelt hat, ohne sich wirklich zu verändern: die gröhligen, ohne Genre und Koketterie, schwer expressiv aufgeladenen Gesänge, die die in Phalanxstärke aufgereihten Riffs vor sich her stoßen, die so herrlich undifferenziert daherkommen, von gleich drei Kehlen gleichberechtigt eingeschrieen; die wirklich hübschen, aber unschleimigen, schönen Melodie-Sprenksel, die überall und nirgends auftauchen; schließlich die kraftstrotzende, walzende und doch unbemühte Rhythmik, wo keine Drumpatterns einfach nur durchgeprügelt, Stücke abrupt angehalten werden, ohne viel dramaturgisches Getue, Stimmung.
Mutationsrate der Riffs, Grundton und Lautstärke wechseln, als wäre das alles selbstverständlichste Zutat eines jeden Kneipengröhlgesangs seit den Tagen des Spartakusaufstands. Schöne Beispiele hierfür sind das sich mit subtilen Verfremdungsstrategien der Dissonanz aufbäumende „Insomnia For Months“ und das auf Geradlinigkeit getrimmte „Perception“. Die Steigerungsquote der songwriterischen Qualität wird bis zum Schluss beibehalten, und so verklappen KYLESA im finalen Song „To Walk Alone“ keinen Rausschmeißer-Müll, sondern wachsen noch einmal über sich hinaus.
Die verführerische These, dass sich KYLESA zu Punk verhalten, wie sich MASTODON, SAVIOURS oder BARONESS zu Prog und Metal, lasse ich mal unüberprüft stehen. Alle diese Entwürfe aber versuchen sich an der Überwindung von konventionellen Rockstrukturen durch ein konventionelles Rockinstrumentarium. Die Stärke dieser Bands liegt gewiss darin, innerhalb eines gegebenen, engen stilistischen Rahmens, immer wieder überraschende Dinge zu tun, ohne sich in den Verdacht zu begeben, diesen Rahmen aus unlauteren (künstlerischen) Gründen sprengen zu wollen: Das Weiterdenken von Opulenz, Intensität, Cleverness, Kontrast und zu Songs geformten Melodie-Orgasmen. Griffige Kompaktheit, also exakte Konturen statt breite Streuung von Lärmfeldern, neue Alternativen zu dem, was früher alleine Feedback leisten musste. Gute Produktion und schließlich aber auch die Frage, ob auf Dauer ein solcher Ansatz alleine lebensfähig ist, auch wenn er bis jetzt schön gediehen ist und angenehm nachvollziehbare, geschmackssichere, berechenbare, immer von anderen Ansätzen unterscheidbare, also eigene Strukturen geboren hat.
toll geschriebenes, extrem treffendes review! und natürlich unglaubliche musik!