Kvelertak - Splid

Review

Als Frontmann und Gründungsmitglied Erlend Hjelvik im Juli 2018 völlig überraschend seinen Ausstieg bei KVELERTAK bekannt gab, verloren die Skandinavier damit nicht nur einen absoluten Ausnahmemusiker, dessen Qualitäten einst sogar von METALLICA-Legende James Hetfield gelobt wurden, sondern mussten auch entscheiden, wer den Posten am Mikrophon künftig bekleiden soll.

Für den harten Kern der Band stand schnell fest, dass KVELERTAK ihr Potential noch nicht vollends ausgeschöpft hatten. So verpflichtete man mit Ivar Nikolaisen einen alten Freund, der als Fronter der Punkrocker THE GOOD THE BAD AND THE ZUGLY nicht nur bereits allerhand Erfahrung sammeln konnte, sondern schon auf dem gefeierten Debüt der Jungs Gastvocals zu „Blodtørst“ beigesteuert hatte. Nun, etwa anderthalb Jahre nach dem aufsehenerregenden Besetzungswechsel, liefern die Norweger mit „Splid“ ihr langersehntes, viertes Album. Ob die sechs Alleskönner an den Sound ihrer glorreichen Anfangstage anknüpfen können, erfahrt ihr hier!

KVELERTAK – Die Stunde der Wahrheit…

Für einen eingefleischten Fan können bereits die ersten Takte des Openers wegweisend sein. Hat sich der vertraute Sound des Vorgängers zu sehr verändert? Versucht die Band, auf Biegen und Brechen pseudo-innovative Experimente zu erzwingen, um somit ja szenerelevant zu bleiben? Oder schafft man es doch tatsächlich, alte Ideen mit neuen Ansätzen so zu kombinieren, dass man dadurch den eigenen, durch und durch bewährten Stil allen Erwartungen zum Trotz noch einmal auf die nächste Stufe hebt? KVELERTAK-Fans dürfen an dieser Stelle aufatmen: „Splid“ ist ein absolutes Meisterwerk geworden!

So wird im Opener „Rogaland“ nicht nur die gleichnamige Provinz, aus der auch die Band selber stammt, besungen, sondern direkt deutlich gemacht, dass KVELERTAK nach wie vor ein unvergleichliches Feingefühl dafür haben, roh-lärmende Parts mit ungewöhnlichen Melodien nahtlos zu verknüpfen. „Crack of Doom“ hingegen ist eine wilde Nummer mit keifendem Rock ’n’ Roll-Einschlag, mächtigem Ohrwurmpotential und – absolutes Novum – englischsprachigem Text. Für hochkarätige Verstärkung am Mikrophon sorgt dabei MASTODON-Mastermind Troy Sanders. Mit „Necrosoft“ gibt es schließlich ganz traditionsgemäß eine ordentliche Black ’n‘ Roll-Abreibung der alten Schule.

Wie bereits erwähnt, gelingt es KVELERTAK auf „Splid“ tatsächlich, erneut zusätzliche Facetten innerhalb ihres ohnehin äußerst vielseitigen Soundspektrums zu entdecken. Nummern wie „Discord“ oder „Bråtebrann“ punkten nicht nur dank der souveränen Gitarrenarbeit, den perfekt auf die Musik abgestimmten Vocals oder dem progressiv-authentischen Feinschliff, sondern lassen sich zudem in keine Genreschublade stecken – und das steigert den Wiederhörwert immens. Doch auch vergleichsweise simplere Songs wie das punkige „Uglas hegemoni“ oder das überraschend geradlinige „Tevling“ mit seinen Alternative Rock-Anleihen überzeugen auf ganzer Linie.

Tatsächlich sind es jedoch die längeren, deutlich komplexeren Stücke, die „Splid“ zu dem vielleicht besten Album seit dem selbstbetitelten Debüt machen. „Fanden ta dette hull!“ trumpft mit seinem eingängigen Hard Rock-Hauptriff und der unvorhersehbaren Songstruktur auf, während „Delirium tremens“ sich von seinem atmosphärischen Intro langsam zu einem aggressiv-fetzigen Nackenbrecher entwickelt. Weniger innovativ scheppert „Stevnemøte med Satan“ vor sich hin und erinnert dabei an den rau-rotzigen Sound der Gründungsjahre. Zu guter Letzt servieren KVELERTAK mit „Ved bredden av Nihil“ einen diabolischen Höllenritt bei dem einfach alles passt: das dramatische Eröffnungsriff, die voranpreschende Rhythmik oder die gallig-giftigen Vocals – so klingen KVELERTAK in Bestform!

Streichen nicht nur den Release ihres vierten Albums rot im Kalender an: KVELERTAK

„Splid“ – Mit frischem Wind ins neue Jahrzehnt

KVELERTAK haben tatsächlich das Undenkbare bewerkstelligt: Dass die Skandinavier nach drei unfassbar vielseitigen Alben mit „Splid“ tatsächlich noch eine Schippe Innovation drauflegen können, hätten sich die meisten Fans wohl nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausmalen können. Doch das Experiment ist gelungen: „Splid“ gehört nicht nur zu den frühesten Anwärtern auf das Album des Jahres, sondern erschüttert die Szene dank des exzellenten Songwritings und dem schier unendlich wirkenden Facettenreichtum in ihren Grundfesten. Damit gleicht das Album einem tausendteiligen Genrepuzzle, in dem jedes Teilchen genau dort sitzt, wo es hingehört.

10.02.2020
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