Ewige Forderungen nach einem neuen Kraftwerk-Album – berechtigt oder verlorene Liebesmüh? Aktuell scheint der Gedanke an ein neues Werk der Roboter-Legende wahrlich utopisch. Schließlich verstehen sich die Düsseldorfer Elektro-Pioniere spätestens seit dem Ausstieg von Gründungsmitglied Florian Schneider lediglich als ewige Remixer ihrer eigenen Diskografie. Dass bei Konzerten schon seit Jahren revitalisierte Ableton-Live-Versionen der Originalstücke geboten werden, ist weitgehend bekannt. Mit welcher klanglichen Präzision die Gruppe um Ralf Hütter ihre Werke in ihren „12345678“-Shows aber mittlerweile aufs Parkett bringt, offenbart jetzt „3-D Der Katalog“.
Klassiker und gerne Vergessenes
Die knapp fünfstündigen Deluxe-Ausgaben (8 CDs / 9 LPs) beinhalten aktuelle Versionen jedes klassischen Kraftwerk-Albums von „Autobahn“ (1974) bis „Tour De France Soundtracks“ (2003). Ausnahmslos live wurden die 42 teils zusammengefassten Stücke eingespielt und mitgeschnitten. Ohne Publikumssound, dafür aber mit einer alles überragenden Tightness, wie sie wohl am anschaulichsten in der dreiteiligen „Music Non Stop“-Suite zu hören ist. Während Klassiker wie „Trans Europa Express“ und „Die Roboter“ schon seit dem „The Mix“-Album von 1991 in aufgefrischten Versionen zu bestaunen sind, hüllen Hütter, Schmitz und Hilpert nun auch gerne vergessene Nummern wie „Ätherwellen“ in ein gänzlich neues Gewand – mit teils durchaus trippigen Resultaten.
3D-Sound hält, was er verspricht
Zum wahrlich klanglichen Ausnahmeerlebnis wird „3-D Der Katalog“ aber erst mit amtlichen Kopfhörern auf der Schädeldecke. Der über Frequenzweichen arbeitende Headphone-3D-Sound entpuppt sich nämlich nicht wie befürchtet als stumpfe Werbe-Plattitüde, sondern hält, was er verspricht. Und selbst wenn man als Hörer weniger Lust auf dreidimensionales Hirngeflacker hat und den Trans-Europa-Express lieber über die eigene HiFi-Anlage durchs Zimmer rauschen lassen will: Die Abmischungen sind und bleiben ein unbeschreiblicher, malerischer Klanggenuss. Würden sich heutige Bands – ganz gleich aus welchem Genre – alleine an Kraftwerks Ausreizung der Stereofelder ein Beispiel nehmen – die Musikwelt im Jahre 2017 wäre ein besserer Ort.
DVD/BluRay-Doppel fürs Heimkino
Apropos durch Zimmer rauschen: Auch den hohen Standard ihrer 3D-Shows bringen Kraftwerk erstmals ins Heimkino. Das 2-Disc-BluRay/DVD-Set enthält jeweils einen Longtrack pro Studioalbum, das 4-Disc-Deluxe-BluRay-Set deckt sogar die gesamten „12345678“-Katalog-Shows ab – und zwar 3D-Brillen-kompatibel.
Schon die kurzfilmartige Aufbereitung des „Autobahn“-Artworks zeigt die nötige Liebe zum Detail – wobei die bewusst monotone Fahrt über die A555 natürlich zugleich die Kraftwerk-typische Schlichtheit zum Ausdruck bringt. Die zieht sich nämlich genauso durch die gänzlich computergenerierten Animationen zu „Trans Europa Express“ oder den Geigerzähler-Graphen zur „Radioaktivität“. „Computerwelt“ und „Mensch-Maschine“ gehen noch einen Schritt weiter und bauen im Grunde nur auf einfachen Textvisualisierungen auf – gerade (un)abwechslungsreich genug, um den Fokus stets auf der Musik halten.
Spätestens die lustige Zählparade zu „Nummern“ zeigt, wie sehr Kraftwerk ihren eigenen Minimalismus im Laufe der Jahre perfektioniert haben. Als simple, stimmige Ergänzung zu den Beats des Prä-Techno-Meilensteins von 1981 fliegen die „Computerwelt“-Zahlen 1 bis 8 in präziser, mechanischer Manier durchs Wohnzimmer und lassen die ohnehin nur selten in Nahaufnahme gezeigten Musiker dabei hinter sich zurück. Kraftwerk haben früh gelernt, sich dem großen Ganzen der Mensch-Maschine unterzuordnen.
Music Non Stop – Techno Pop
Erst zu „Music Non Stop“ ertappt man Eigenbrötler Hütter, wie er seinen Körper synchron zu seinem jüngeren computeranimierten Ich auf der Leinwand vor- und zurückwiegt. Damals, 1986, galten die Gesichtsvisualisierungen des „Electric Café“-Covers noch als revolutionär detailreich. Doch die vier plastischen Visagen sind schnell gealtert – ganz im Gegensatz zu den zeitlosen Kraftwerk-Longplayern. Die funktionieren nach diesem durch und durch synthetischem Update nämlich besser denn je – und dürften in Form des wohl umfassendsten Techno-Pop-Releases aller Zeiten nun endgültig die Ewigkeit überdauern.
Es muss immer weiter geh’n – Musik als Träger von Ideen.
Und das hat jetzt genau was mitdem Thema dieses Online-Magazins zu tun?
Der Umstand, dass wohl mindestens zwei unserer Genreportale inkl. der dort enthaltenden Bands ohne Kraftwerk heute nicht existieren würden, könnte da eventuell ins Gewicht fallen.
*gähn*
wann kommt das Sgt Pepper Review zu den Beatles?
oder bissel was von Beethoven, ohne den es den Metal…blablabla…
Setze ich auf die Liste. 🙂