KMFDM - Kunst

Review

29 Jahre, Album Nummer 18 und kein bißchen müde. Und KMFDM liefern noch immer, und zwar nichts anderes als das, was man von ihnen erwartet. Und was man bei den deutsch-amerikanischen Industrial-Veteranen nie vergessen darf: ‚conceptual continuity‘ bedeutet bei ihnen nicht über Dekaden wiederaufgewärmter Einheitsbrei sondern Prinzipientreue: ultra-heavy, vorbei am Mainstream und stets mit durchtrainiertem Mittelfinger.

Das zeigt schon das bewusst provokant gewählte Covermotiv (welches bei Facebook natürlich wegen Nippelalarm gleich wieder gelöscht wurde) mit der wütenden Kettensägen-Amazone, die das Symbol der größten Weltreligion zu Fall bringen will. Der Religion, die gerade ihr Oberhaupt verloren hat, Kindesmissbrauch verheimlicht, vergewaltigte Frauen abweist und offen für Holocaustleugner ist. Und die sich auch ganz nebenbei so stark es nur geht überall in die Landespolitik einzumischen versucht.

Eine deutliche Reaktion ist der Song „Pussy Riot“, benannt nach der gleichnamigen Punkband, die für einen einzigen kritischen Song gegen Stalin’s Enkel Putin für mehrere Jahre ins Gefängnis geschickt wurde. KMFDM waren sich für solche deutlichen, gesellschaftskritischen Statements (die viele gern mit ‚Politik‘ verwechseln) noch nie zu schade, und werden nicht müde gegen die Lethargie und Ignoranz der Massen zu kämpfen. Mit eindeutigen, lautstarken Ansagen aus dem Megaphon, und natürlich den ultra-heavy beats.

Der Titelsong und Aufmacher des Albums ist hingegen eine typische, selbstironische, selbstpreisende Nummer in bester Tradition zu Klassikern wie „Inane“. Aber auch auf dem Rest des Albums werden immer wieder geschickt bereits vertraute Slogans und Zitate eingeflochten, so dass „Kunst“ mitunter wie ein Jubiläumsalbum wirkt, obwohl sie die 30 erst nächstes Jahr voll machen.

Nach dem Vorgänger „WTF?!“ gibt es überdies keine großartigen Änderungen an der momentanen Konzeption und Vorgehensweise – Sascha K und Gattin Lucia werkeln in Hamburch, Gitarren und Schlagzeug kommen aus Übersee geflogen. Es gibt durchaus tanzbare Tracks wie „Ave Maria“, adrenalinschwangere Titel wie „Quake“ mit vorpreschenden Riffs und Gastfeatures wie „Next Big Thing“ mit William Wilson von LEGION WITHIN.
„Pseudocide“ spielt sich dank seins Volltreffer-Refrains schnell und zielsicher ins Ohr; „Animal Out“ ist ebenfalls eine solide, rhythmisch starke Nummer, und mit „The Mess You Made“, meinem persönlichen Highlight, wartet ein wuchtiger Track mit ganz unschuldigem Regengeplätscher zu Beginn auf den Hörer.

Eindeutige Hits vom Format „Amnesia“ gibt es dieses Mal leider nicht. War der Vorgänger „WTF?!“ im Vergleich zu dessen Vorgänger „Blitz“ regelrecht überragend, so steht „Kunst“ im direkten Vergleich zu beiden irgendwo in der Mitte. KMFDM wie sie klingen müssen, aber ohne Überraschungsfaktor, ohne die Extraportion Arschtritte und ohne experimentelle Ausflüge wie „Death & Burial of C. R.“.

27.02.2013

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