Kiss - Destroyer

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Es war für beide ein Ausflug ins Ungewisse: An jenem 3. Juni 1976 saßen sie zusammen, bevor es ein Konzert im Cirkus Krone in München geben sollte. Thomas Gottschalk, der sich im Radio des Bayerischen Rundfunks für höheres empfohlen hatte und mit dem Musikmagazin Szene ’76 zum ersten Mal im Fernsehen moderierte. Ihm gegenüber saßen KISS, die mit „Alive!“ in den USA ihren Durchbruch geschafft haben und die ein Vierteljahr nach der Veröffentlichung ihres jüngsten Album „Destroyer“ in Europa vorstellig wurden. Für seine Sendung interviewte der Neuling dieses eigentümliche Rock-Phänomen aus den Vereinigten Staaten. Er stellte unbeholfene Fragen nach der Lautstärke und danach, dass sie auf Platte viel besser klängen. Beide konnte Paul Stanley charmant beantworten.

Keiner der Zuschauer dieser ausschließlich in Bayern ausgestrahlten Sendung sollte auf die Idee kommen, dass hier zwei Karrieren aufeinander trafen, die Deutschland später noch massiv beeinflussten. Gottschalk prägte die deutsche Fernsehgeschichte und KISS haben mit ‚I Was Made For Lovin You‘ einen allseits bekannten Ohrwurm präsentiert, der gleichzeitig auch der Startschuss vieler hiesiger Metaller-Karrieren war. In den USA waren KISS Anfang 1976 in aller Munde, avanchierte innerhalb weniger Monate zu einer der angesagtesten und aufregendsten Bands. Doch auch damals war unklar, welchen Stellenwert KISS in der Rockgeschichte einnehmen würde.

Rock And Roll All Nite

In den Charts hielten sie sich vor allem dank der Party-Hymne ‚Rock And Roll All Nite‘, die erst als Live-Version durchgestartet ist. Vorher haben sie drei Studioalben herausgebracht, die kommerziell betrachtet Reinfälle waren und nicht die Energie ihrer legendären Live-Shows wiederspiegeln. Dies konnte man erst mit dem Live-Album „Alive!“ beheben, welches gleichzeitig die Rettung des finanziell angeschlagenen Labels war. Doch es hielt sich die Befürchtung, dass KISS nur ein One-Hit-Wonder waren. Sie hätten gerade ihre 15 Minuten Ruhm und verschwinden danach in den Unweiten der Rockgeschichte.

Bob Ezrin sollte diesen Niedergang verhindern. Damals war er noch ein junger Produzent, der vor allem als Frankenstein galt, dessen Monster die ALICE COOPER GROUP war. Und so hat er auch „Destroyer“ seinen Stempel aufgedrückt. Bei sieben der neun Songs ist er als Mitkomponist genannt und forderte von der Band eine gewisse Reife. So ist das Album überraschen jugendfrei im Vergleich zu seinen Vorgängern. Und auch in musikalischer Hinsicht ließ es die Unkenrufen verstummen.

It’s so sad, livin‘ at home

„Destroyer“ startet mit dem Hörspiel ‚Detroit Rock City‘. Ganz untypisch wird die Geschichte eines hedonistischen Rockers erzählt, der gleichgültig bei einen Autounfall stirbt. Es wartet ganz unerwartet mit einem Zwischenspiel auf. Ins Ohr sticht zudem die breite Instrumentierung mit Klavier und Glocken. Damit haben sie ihr vorangegangenes Œuvre in puncto Musikalität übertroffen und eine ganz neue Seite von sich gezeigt. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet dieser Song zum Signature-Track der Schock-Rocker wurde.

‚God Of Thunder‘ war eine weitere Zäsur. Die Alter Egos floßen meistens nicht in die Songs ein und so ist es auch kein Zufall, dass Stanley den Song ursprünglich singen wollte. Der Imagemaker Ezrin hat ihn dazu überredet, den Song Simmons zu überlassen. Selten klangen KISS so bedrohlich. Das Gitarren-Riff, der langsame Beat und die tiefe Stimme Simmons. Nicht zuletzt verstärkte das Sample mit Ezrins Kindern diesen Eindruck. Eine unglaubliche Verknüpfung mit ihren Bühnenpersönlichkeiten, wie sie ihnen danach nur noch einmal (‚Rocket Ride‘) gelang.

„Destroyer“ enthält durchweg starkes Songmaterial wie ‚King Of The Night Time World‘, welches beim Hörer sofort das Gefühl der glitzernden Großstadt heraufbeschwört, der eingängige Gassenhauer ‚Shout It Out Loud‘ oder auch das schwärmerisch-unsichere ‚Do You Love Me‘. Bei all dieser Qualität gibt es auch Songs, die verblassen, wie das großartige ‚Flaming Youth‘, welches zeitlebens als Party-Hymne verkannt wurde, ‚Sweet Pain‘, bei der Simmons die Vorzüge seines Gesangsstils präsentieren kann. Dazu kommen Ausreißer, wie das bombastische ‚Great Expectations‘ oder ‚Beth‘.

Oh Beth, what can I do?

Ein Song, den Peter Criss schon vor seinen Einstieg bei KISS geschrieben hat und aus kommerzieller Sicht der wichtigste Bestandteil dieses Albums ist. Für KISS ist es der untypischste Song auf diesem Album, es ist nicht einmal eine elektrische Gitarre zu hören. ‚Beth‘ ist eigentlich eine unspektakuläre Ballade mit breiter Orchestrierung. Gerade die Stimme des Drummers ist es, die diesen Song veredelt. Er präsentiert (übrigens das einzige Mal auf diesem Album) seine sanfte Stimme, die im starken Kontrast zu seinen Kollegen Simmons und Stanley steht. Dies unterstreicht grandios den Kitsch dieses Stücks.

KISS erkannten das Potenzial nicht, so verschwand er auf diesen Album auf der B-Seite und auch auf der Single ‚Detroit Rock City‘. Der Verkauf des Albums lief nicht so erfolgreich wie erhofft, ehe Radio-DJs anfingen, ‚Beth‘ zu spielen. Der Verkauf stieg an und so erhielt „Destroyer“ bald eine Platin-Auszeichnung, während der Song ständig im Radio lief. Dass auch dieser Song zu einem Signature-Track von KISS wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

I got to laugh ‚cause I know I’m gonna die

Wie eigentlich beim ganzen Album. Es hat den Status als das beste KISS-Album eingenommen. Von vielen Fans wurden die Veränderungen jedoch kritisch beäugt, weswegen das Quartett für den Nachfolger „Rock And Roll Over“ den „Alive!“-Produzenten Eddie Kramer verpflichtete und wieder den kernigen Hard-Rock-Sound, den sie auf ihrem Livealbum gespielt haben, bedienten.

Doch obwohl die Meinung über „Destroyer“ lange so gespalten war, lässt sich eines nicht verleugnen: Sie haben es allen gezeigt. Allen Kritikern, die geunkt haben, dass sie eine schlechte Band mit schlechten Songs sind, die nur wegen der Show soviel Aufmerksamkeit bekommen. Dieses ausgereifte Album mit abwechslungsreichen und zugleich eingängigen Songs wurde zurecht vielerorts in den USA zum Soundtrack der Siebziger Jahre und hat KISS damit endgültig etabliert, wodurch sie einen riesigen Einfluss auf die Musiklandschaft ausüben konnten. Nicht nur deswegen hat Gottschalk 34 Jahre später bei „Wetten dass..?“ mit einem leichten Anflug von Stolz gesagt, dass die Shock-Rocker der Sound seiner Generation sind.

 

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09.09.2020

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3 Kommentare zu Kiss - Destroyer

  1. royale sagt:

    klar, ne 10! Was sonst?

    10/10
  2. nili68 sagt:

    Irgendwas von 1-9? Bin schon weg.. 😛

  3. MetalGerhardt sagt:

    Bin kein Kiss-Fan, aber wollte mich trotzdem mal durch die Diskographie hören, denn ich liebe nun mal Hard Rock. Und den hat die Band auf den vorherigen drei Alben auch ganz ordentlich bedient. Mag sein, dass „Destroyer“ musikhistorisch eine große Relevanz besitzt und man kann sich das Teil auch wirklich gut anhören, aber ich persönlich kann hier nicht vom besten Werk der Band sprechen. Da hat mir das Debüt und auch „Dressed to Kill“ doch mehr Freude bereitet. Es bleibt natürlich ein genialer Opener übrig und „Shout it out loud“ könnte gar nicht geiler rocken, aber mir gefielen die bodenständigen, sehr simplen Alben davor und danach einfach etwas besser. Tracks wie „Great Expectations“ und „Beth“ zeugen durchaus davon, dass die Band gewillt war, experimenteller zur Sache zu gehen und sicher war kaum ein Album der Gruppe so abwechslungsreich, doch bei mir springt der Funke trotzdem nicht so recht herüber. Gebe aus objektiver Sicht 7 Punkte, subjektiv wären es eher 6. Trotzdem nettes Album!

    7/10