„They’re the first time a band want me to punch someone in the face – and then fuck ‚em!“ – sagt Chilischote Dave Navarro über die New Yorker Gruppe KHZ. Nimmt man dieses auf den ersten Anschein leicht proletenhafte Bildnis näher unter die Lupe, beleuchtet es die zwei Seiten von „Reality On A Finer Scale“ schon sehr gut: Aggression und Emotion. Navarro hat bei seinem Statement vermutlich sowieso auf Sängerin Raiana geschielt, doch es soll hier ausschließlich um ihre musikalischen Qualitäten gehen.
KHZ’s Debütalbum umfasst eine mehrjährige Schaffensphase der Band. Es entstand in den Jahren 2001 bis 2004, lag wohl offensichtlich noch ein gutes Stück im Räucherkeller, bevor es jetzt endlich den Weg ans Tageslicht fand. Grob gesagt könnte man sagen, es handele sich hier um modernen (amerikanischen) Metal – aber was heißt das schon? Man hört bei „Reality…“ die lange Entstehungszeit heraus, da sich hier typische Trademarks der Post-Nu-Metal Zeit mit Ostküstenflair vereinen, wie eine Bestandsaufnahme dessen, was sich in diesen Jahren in dieser musikalischen Ecke getan hat.
Die Kontrastpunkte von harten, aggressiven Riffs und emotionaler Dichte werden von Sängerin Raiana durch Screams und Shouts aber auch durch sehr zarten, gefühlvollen Gesang wirklich stimmungsvoll inszeniert. Irgendwo in diesem Bereich liegen auch EVANESCENCE, ferner RENHOLDER, GOD LIVES UNDERWATER und JAKALOPE. Manchmal hört man auch Einflüsse der frühen TOOL Werke heraus, und aus deren Epoche dürften wohl auch die meisten Einflußgeber von KHZ stammen. Sie bedienen sich dieser Inspirationen, wirken jedoch eigenständig genug, um ihnen einen eigenen Sound attestieren zu können.
Es ist auch weniger die stilistische Sicherheit, an der es KHZ mangelt, sondern an kompositorischer Qualität. Die Songs funktionieren an sich ziemlich gut mit dem altbewährtem Rezept aus aggressiven, gitarrendominierten Parts, die wütend nach vorne stampfen, sowie zerbrechlichen Passagen, denen Raiana mit ihrer Stimme ihren Stempel aufdrückt. Handelsübliche Riffs und Hooklines, eingängige Refrains – und gerade die könnten ruhig etwas stärker sein. Den Songs fehlen oft einfach die entscheidenden Melodien, um nachhaltig zu wirken und beim Hörer hängenzubleiben.
Allerdings trifft das eher auf die „härteren“ Songs zu, denn KHZ haben auch einige sehr ruhige Lieder im Gepäck, die sich wirklich hören lassen können. Ich habe sogar den Eindruck, dass gerade hier die Band all ihre Trümpfe ausspielt, dass hier ihr größtes Talent liegt. Live sind die aggressiveren Nummern bestimmt die bessere Wahl, aber auf Konserve wirken die letzten Songs des Albums (v.a. „Find your Way (pt. 1 & 2)/pt. 3“, „Alone“ und „Stay All Night“) am stärksten. Teilweise nur minimal instrumentiert oder mit großen Gefühlsausbrüchen versehen ist diese emotionale Seite der Band musikalisch gesehen eindeutig die bessere.
Mit den Punkten ist es ja immer so eine zwiespältige Sache, und schwankte ich anfangs noch bei 6, so entscheide ich mich nun für 7, da sich „Reality On A Finer Scale“ schon beim ersten Durchlauf entwickelt, wächst und zum Schluß die besten Momente hat. Und was ich an diesem Album besonders mag, ist die Sängerin, die den Hörer nicht nach EVANESCENCE-Art mit unerträglich weinerlichem Gejaule quält, sondern mit einer vielseitigen Stimme überzeugen kann.
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