Khanate - Capture & Release

Review

Galerie mit 11 Bildern: Khanate - Roadburn Festival 2024

Es gibt nicht mehr viele von ihnen, aber dennoch gibt es sie. Man muss sie nur finden und genau hinschauen, bzw. hinhören. Wovon die Rede ist? Bands, die absolut eigenständig klingen. Im Falle von KHANATE äußert sich diese Eigenschaft in einer morbiden Umsetzung psychotischer Wahnvorstellungen und lebensverneinenden, emotionalen Ausbrüchen tonaler Formen und Eruptionen.

Im Grunde ist die Musik KHANATEs kaum in Worte zu fassen, man muss sie einfach hören um zu begreifen, wovon hier die Rede ist. Deshalb möchte ich an dieser Stelle lediglich versuchen, den Neugierigen darauf vorzubereiten, was ihn ungefähr erwartet. Man muss begreifen, was mit dieser Musik transportiert wird. Grundsätzlich sollte beim hören von „Capture & Release“ jeglicher Kontakt zu anderen Menschen gemieden werden, da derartige Konstellationen die akute Gefahr heraufbeschwört, kollektiven Selbstmord zu begehen oder sich gegenseitig an die Gurgel zu springen, je nach persönlicher Gemütslage und Widerstandskraft. KHANATE entfachen ein derart psychisch tiefschwarzes und hässliches Endzeitinferno, dass man diese EP sowieso eigentlich nur dann hören kann, wenn man kompromisslos gewillt ist, aus dieser Welt zu scheiden.

Ultra langsam morphen die zwei überlangen Lieder (18:13 und 25:03 Minuten) voran und bewegen sich gemeinsam mit dem Konsumenten wie gefangen in einer endlosen dickflüssigen Welle aus geballten Emotionen durch einen tiefen schwarzen Ozean aus Wut und Hass, abgrundtiefer Depression und psychischem Verfall, Todessehnsucht und der schwachen Hoffnung, all dem zu entkommen. Gitarren erzeugen Tonfolgen, die so langsam aneinander gereiht sind, dass man Schwierigkeiten hat, sie auf Anhieb richtig nachzuvollziehen. Der Bass wummert tiefe Drones dazu und das Schlagzeug setzt lediglich gezielte Akzente, um Tonwechsel oder bestimmte Textpassagen eindringlich zu untermalen. Man kann hier keineswegs von gängigen Songstrukturen sprechen oder nach bewährten Mustern urteilen. Diese Musik genießt man nicht; diese Musik erleidet man! Man muss sie fühlen und darin auf- und untergehen. Der Hörer soll sich quälen, Angst bekommen, Hass und Abneigung allem gegenüber empfinden.

Der Sound ist äußerst natürlich gehalten, was dem Ganzen zusätzlichen Ausdruck verleiht. Es gibt keine Trigger oder ähnliche Tricks, um die Instrumente nach Plastik klingen zu lassen. Es gibt nur das reine Schlagzeug, den direkten Bass, die knarzige Stromgitarre und die Stimme. Zwischen verängstigtem flüstern, verhasstem Geschrei und hilflosem Gekeife entstehen beklemmende Pausen, welche an Spannung kaum zu überbieten sind. Zwischendurch entladen KHANATE diese Anspannungen immer wieder in Form fast undurchschaubarer Eruptionen aus Tönen und Klängen. Doch Erlösung gibt es keine. Wie eine hinabführende Wendeltreppe ins Reich der Dunkelheit ziehen KHANATE den Hörer in ihren Bann und verkünden die psychische Apokalypse.

Anders ist die Musik auf „Capture & Release“ nicht zu beschreiben. Nur die Bildsprache kann als Erklärung dieser Musik dienen, denn Handlungen und Bilder sind es, die KHANATE hier künstlerisch verarbeiten. Verfall und Tod. Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, ob er diese Musik als Kunst anerkennt oder schlicht als kranken Schrott bezeichnet. Ich jedenfalls habe selten solch intensive Stimmungen und tief depressive Klänge gehört wie auf dieser EP.

Wer meint, sein Leben wäre ein brennender Scheiterhaufen, welcher droht, lichterloh zu brennen, der sollte sich „Capture & Release“ anhören. Mehr Leid und Schmerz geht nicht!

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31.12.2006

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