Kerbenok - Der Erde Entwachsen (Gewollte Wunden)

Review

Wenn ich dieses Review damit begönne, „Der Erde Entwachsen (Gewollte Wunden)“ für das gelungene Artwork zu loben, dann müsste ich lügen. Das liegt nicht daran, dass die optische Umsetzung im Allgemeinen nicht ansehnlich ausgefallen ist – tatsächlich weiß die dezente Aufmachung im Digipak durchweg zu gefallen -, sondern an den speziellen Umständen. Auf dem Av Is Og Ild Metalfestival eingesackt und in derselben Nacht beim Daraufschlafen arg demoliert – das ist die Geschichte meines Exemplars.

Was für ein Glück ist da, dass die CD selbst, sehen wir von einigen Kratzern einmal ab, unversehrt geblieben ist; tatsächlich habe ich noch im vollsten Rahmen die Möglichkeit, die darauf befindliche Musik zu genießen. Vorweg muss gesagt werden, dass es sich bei der neuen CD um keine Full-Length, sondern eine Mini-CD handelt. Addiert man aber die Spielzeit des vorigen Doppelalbums zu der der vorliegenden MCD, ist diese immer noch weit länger als die von zwei Full-Length-Scheiben anderer Bands. Hab ich mein letztes Review zu KERBENOK noch mit einem schwülstigen Intro eingeleitet, gehe ich jetzt einmal direkt zur Sache; die Band hat musikalisch einen weiten Sprung gemacht und sich merklich entwickelt. Der wilde Mischmasch alter Tage – wobei „wilder Mischmasch“ hier positiv aufzufassen ist – ist einem kompakten, homogenen Kompositum gewichen. Dass kompakt hier nicht als Synonym für einfach zu verstehen ist, das beweist jedes der drei Stücke auf der Platte mit vollster Überzeugungskraft: Die Gitarren sind klirrend kalt – KERBENOK sind eben echte Nordlichter -, bieten dabei aber sehr gut durchdachte und zum Teil ziemlich komplexe Melodik. Da treffen fast schon straight-rockige Riffings auf erwartungsgemäß fesselnde Akustikgitarrenarpeggios und kreieren dabei genau das, was die Band für mich ausmacht: Kalte Atmosphäre, die immer wieder mit warmem Funken aufwartet.

Neu hinzugekommen ist bei KERBENOK die Flöte. Im Gegensatz zu solchen Instrumenten bei anderen Kombos ist dies allerdings sehr positiv zu sehen: Statt Kitsch zaubert sie interessant-mystische, der Gesamtatmosphäre sehr zuträgliche, Melodien. Wunderschön gelungen ist das zum Beispiel mit „Das Kalte Feuer“ direkt zu Beginn der Platte, wo cleane Pickingparts sich mit subtiler Flötenmelodie vereinen, um dann im Einklang mit passendem Flüstergesang in klirrend-kalt verzerrte E-Gitarre und ansprechendem Blastbeatpart zu münden.

Diese Qualitätsstufe wird das ganze Album über beibehalten, Einbrüche gibt es nicht zu beklagen. Auf der Basis kühler Atmosphäre schaffen KERBENOK es fernab von Kitsch zu fesseln. Mal folkig, mal düster schwarzmetallisch, immer ansprechend! Die Entwicklung zum Vorgänger „Auf Wilden Pfaden / Im Einklang Der Gewalten“ ist deutlich. Die Musik wurde gleichermaßen sinnvoll erweitert und gekürzt: Death- und Thrashanleihen wurden deutlich zurückgefahren, neu hinzugekommen ist unter Anderem eine Flöte, die so geschickt eingesetzt wird, dass man meinen möchte, sie sei schon seit jeher Part der Musik gewesen. Mit „Der Erde Entwachsen (Gewollte Wunden)“ ist dem Schaffen der Band eine sehr gelungene Scheibe entsprungen, die eventuell noch mehr Anklang finden dürfte als vorige, da sie insgesamt in sich geschlossen, kompakter und homogener wirkt. Nach der Lobeshymne wird jeder, der mein Review zum Vorgänger kennt, sich sicher fragen, warum es für die neue MCD dennoch einen Punkt weniger gibt. Das liegt schlicht und einfach daran, dass die einmalig raue Magie, die „Im Einklang Der Gewalten“ mit seiner enormen Überlänge bot, hier nicht mehr zu finden ist. Bedenkenlos empfehlen würde ich das Werk jedem Liebhaber dieser Tonkunst natürlich dennoch. Am besten stattet Ihr nach dem Lesen dieser Rezension der oben verlinkten Webseite einen Besuch ab und lasst Euch von „Das Kalte Feuer“ selbst verzaubern.

28.05.2007

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