Kehlvin - The Orchard Of Forking Paths

Review

Wer hat’s erfunden? Intuitiv möchte man an dieser Stelle „Die Schweizer“ antworten, doch trifft das im Fall von KEHLVIN und der von ihr besetzten Nische wohl kaum zu. Genannte Nische könnte man mit Namen wie ISIS oder CULT OF LUNA versehen, doch täte man dem Fünfer aus La Chaux-de-Fonds gleich zweifach Unrecht: Erstens impliziert ein solcher Vergleich nämlich, dass KEHLVIN bloß auf einen Zug aufspringen; zweitens beschränken sich KEHLVIN mitnichten auf vermeintliche musikalische Schranken, die sich im Kopf des geneigten Hörers bei Nennung der beiden „großen“ Namen bilden.

Die Band aus der französischsprachigen Schweiz veröffentlicht mit „The Orchard Of Forking Paths“ ihr zweites Album über Division Records. Ich kann mangels Kenntnis des Vorgängers „The Mountain Daylight Time“ wenig zur Entwicklung der Musik sagen, „The Orchard Of Forking Paths“ ist aber ohne Zweifel ein technisch, musikalisch und atmosphärisch rundes Album. Klar, die obigen Vergleiche haben ihre Gründe: So ist das Gesamtklangbild den Veröffentlichungen von ISIS und besonders von CULT OF LUNA sehr ähnlich – sprich: Feine Gitarrenwände, treibendes Schlagzeug, kehlige Vocals. Ganz oberflächlich betrachtet würden auch die Motive an den Gitarren den Schweden bzw. US-Amerikanern zur Ehre gereichen – sehr Doom-lastige Hard-/Postcore-Riffs, die hier und da auch die Grenzen zum Sludge oder Stoner Rock überschreiten.

Was KEHLVIN (glücklicherweise) jedoch nicht in ihre Musik integrieren, sind Postrock-Einflüsse. Auch von ruhigeren Abschnitten, wie sie auf den letzten ISIS-Platten zu finden sind, halten die Fünf wenig, so dass es als Resultat tatsächlich knapp 51 das volle Brett gibt. Das heißt jetzt nicht, dass es die acht Songs an Dynamik mangeln lassen würden, oder dass die Atmosphäre leidet: Nein, hierin besteht die Leistung KEHLVINs auf „The Orchard Of Forking Paths“: Melodie, Atmosphäre, Dramaturgie – all das ist vorhanden, trotz konsequent verfolgter Härte und zuweilen sperriger Songstrukturen. Auch damit heben sich KEHLVIN übrigens hörbar von ihren vermeintlichen Vorbildern ab.

Wer also im Postmetal/-core-Lager nach qualitativ hochwertiger Abwechslung sucht und die Auflösung von ISIS immer noch nicht ganz verwunden hat, sollte sich „The Orchard Of Forking Paths“ mal anhören.

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18.05.2012

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