Kayak - Seventeen

Review

KAYAK präsentieren sich 2018 wie neu geboren – mal wieder. Die Geschichte der niederländischen Art-Rock-Band, die sich in der Blütezeit des Prog – den Siebzigern – gegründet hatte, zeichnet sich wie so viele zeitgenössische Vitae durch frühe Höhepunkte, Schicksalsschläge, Anbiederungsversuche und einigen anderen kreativen Tiefs aus. Ein stetes Auf und Ab, eine Geschichte wie aus dem Leben. Doch das KAYAK hat immer wieder einen Weg gefunden, an die Wasseroberfläche zurückzukehren. Nun hat Bandkopf und einziges verbliebenes Gründungsmitglied Ton Scherpenzeel die Band wieder einmal runderneuert, erfährt Verstärkung von Kristoffer Gildenlöw (u. a. ex-PAIN OF SALVATION) und Collin Leijenaar (u. a. AFFECTOR) und kann nun das neue Album „Seventeen“ lossegeln lassen. Das hätte eigentlich schon 2017 passieren sollen, doch ist der Band dann doch noch eine Kleinigkeit dazwischen gekommen: Ein Vertrag mit InsideOut Music!

Ein KAYAK treibt in den AOR-Gezeiten zwischen Art Rock und Prog

Dabei ist es nicht leicht, KAYAK fest im Prog zu verorten, so verlockend das auch sein mag und so gerne man das auch überall im Netz liest. Die Band hat sich klar am AOR ausgerichtet, der Wert auf große, melodische wie hymnische Gesten legt und seinen Fokus auf den Song als solchen richtet. Diesen würzen die Niederländer aber mit allerhand progressiven Elementen, um selbst mondäne Tracks richtig frisch klingen zu lassen. Es ist der alte Trick, man denke nur an die ganz frühen ASIA, auch wenn KAYAK denn klassischen Prog dann doch nicht so konsequent zitieren. Ein weiterer Anhaltspunkt wären die anspruchsvolleren Sachen von QUEEN. Auch MOON SAFARI, falls die jemand kennt, können als Referenz herhalten, wenn man sich deren Sound etwas trockener vorstellt. Und im Grunde sind KAYAK auch genau dort am stärksten, wo große, melodische Rocker oder einfühlsame Balladen mit Hang zum Melancholischen in interessante aber zu keiner Zeit übermäßig verwinkelte Song-Dramaturgien eingewoben werden.

Der Rock kommt schnell auf den Punkt, die Hooks treffen ins Schwarze und bleiben im Gedächtnis drin und technisch wie auch klanglich sitzt alles an der rechten Stelle. Die Balladen gleiten indes geschmeidig aus den Boxen und gehen runter wie Öl. Doch dann werfen die Niederländer gelegentlich auch diese Versatzstücke klassischer Musik oder ganze Intermezzi in ihre Songs hinein und verleihen ihnen so eine enorme Tiefe. Sie brechen, was zuvor ein gewöhnlicher Track gewesen ist, komplett auf. „La Peregrina“ ist in dieser Hinsicht ein Paradebeispiel, das seine Eigenschaft als Longtrack mit enormer Vielfalt zu kompensieren weiß. Der Song verbindet seinen balladesken Pathos mit einer sehr interessanten Dramaturgie und lässt mittendrin sogar die Kastagnetten klappern. Und dabei zwängen die Niederländer ihren Hörern immer wieder diese sagenhaften Gesangsharmonien in die Ohren.

Ein starker Auftakt für 2018

Zwischen kecken Rockern, einfühlsamen Balladen und kleinen Art-Rock-Kabinettstückchen fahren die Niederländer über die gesamte Spielzeit eine große Palette auf, wobei die Grenzen gerne mal miteinander verschwimmen. Und wenn KAYAK genau diesen Bereich dazwischen erkunden, sind sie am stärksten. Geschickt haben sie den frechen, offensiven Rocker „Somebody“ an erster Stelle platziert, um den Hörer abzuholen. Und bei dem eingängigen Refrain, der bereits nach einem Durchlauf ins Gehör krabbelt, sowie der hoppelnd tänzelnden Rhythmik dürfte das nicht schwer sein. Diese immer leicht spöttisch wirkende, Vaudeville-artige Rhythmusarbeit, die auch unter anderem in „La Peregrina“ und „God On Our Side“ zu hören ist, hat was von den frühen GENESIS. Die sind im Übrigen auch ein ganz guter Referenzpunkt, sowohl für die poppigeren wie auch etwas anspruchsvolleren Momente von „Seventeen“.

Mit der Besonnenheit des klassischen europäischen Progs ziehen KAYAK ihren AOR-Stiefel über die gesamte Spielzeit auch ganz gut durch, sorgen dabei dafür, dass sich die Kurve zwischen härterem Rock und sanfteren Momenten immer bewegt. So gelingt der Band im letzten Viertel der Platte, in der die Spannungskurve abzusacken droht, mit „Cracks“ dann doch noch ein vielschichtiger, atmosphärischer Track, ehe sie sich mit einem sentimentalen Rausschmeißer zum Dahinschmelzen verabschieden. Apropos: Mit Cheese halten sich KAYAK größtenteils zurück. Eine gute Entscheidung, auch wenn den Niederländern dadurch gelegentlich ein bisschen rockiger Bombast á la früher ASIA durch die Lappen gegangen sein dürfte. Doch auch so unterhält „Seventeen“ über die gesamte Stunde Spielzeit, ohne sich wie langgezogen zu fühlen. Mit so einer Platte startet man gerne ins neue Jahr.

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04.01.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Kayak - Seventeen

  1. Markus sagt:

    Ich kann die Rezension nur bestätigen. Auch wenn Ton Scherpenzeel nach 45 Jahren das einzige Kayak-Mitglied ist, das zur aktuellen Formation gehört, ist noch unwahrscheinlich viel Kayak der 1970er und frühen 1980er („Merlin“) Jahre drin – auch ohne den genialen Sänger Edward Reekers.
    Das wirklich Großartige an dieser CD: keine Sekunde Langeweile, keine Schublade, in die Kayak reinpasst. Die Assoziationen zu Asia, deren letzte Werke bis zum Tod von John Wetton vor einem Jahr ich im Gegensatz zu vielen Fans sehr gelungen fand, Genesis, Yes oder King Crimson sind naheliegend, wenn auch nicht wirklich treffend. Ihre klassisch angehauchten Intermezzi sind einizigartig in der Rockmusik, wenn man nicht gleich auf Interpreten wie Sky, Nice, Ekseption oder Saint Preux zurückgreifen möchte. Erwähnenswert ist noch der Einsatz von Camel-Mitglied Andrew Latimer bei einem wunderschönen und nie kitschigem Instrumental.

    10/10