Wer oder was ist der Buchautor Kay Lutter? Viele Menschen kennen ihn unter dem Namen „Die Lutter“ als Bassist der Folk & Mittelalterband IN EXTREMO. Lutter ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen und startete seinen musikalischen Weg bei der DDR-Undergroundband FREYGANG. Der real existierende Sozialismus meinte es nicht gut mit FREYGANG. Unter anderem erhielt die Band ein lebenslanges Auftrittsverbot, was die Herren mit Gigs im Ausland oder mit Konzerten unter einem anderen Namen umgehen konnten. Die Blues- und Hippieszene war groß in der DDR und der Wunsch nach grenzenloser Freiheit ein ständiger Wegbegleiter. Nur über Mund zu Mund Propaganda sind bis zu 5000 Menschen zu den vor der Stasi zu verheimlichen Auftritten gepilgert.
FREYGANG, Blues und das Ende der Welt
Lutter ist neben seiner Tätigkeit bei IN EXTREMO Bandgründer von MONOMANN und Buchautor von „Bluessommer“. Das Buch beleuchtet den Werdegang von MONOMANN. Der Weg von MONOMANN wird als Fantasiegeschichte erzählt, der auf den FREYGANG-Erlebnissen beruht. Sein zweiter Roman nennt sich „Achtopol“. Wer in Erdkunde sehr gut ist oder mal am schwarzen Meer in Bulgarien war, kennt eventuell den Urlaubsort unweit von Burgas. Bis 1989 ist „Achtopol“ ein Traumziel für DDR-Bürger. Eine weite Reise über viele Grenzen. Die sozialistischen Bruderstaaten waren unterschiedlich bestückt. Die DDR war einer der Staaten, wo es den Menschen deutlich besser ging als zum Beispiel in Rumänien, wo Nicolae Ceaușescu und seine gefürchteter Securitate regierten. Doch was hat das alles mit Musik zu tun?
Der Startpunkt liegt in einem kleinen Kaff bei Berlin, wo zwei Jünglinge sich in ihren Ferien auf den Weg nach „Achtopol“ machen. Die beiden fiktiven Gestalten sind Fans von Rock und Blues, aber auch die DDR-Undergroundbands wie FREYGANG oder MONOKEL spielen eine Rolle. Die Erlebnisse des Duos auf ihren Weg nach „Achtopol“ drehen sich um den Balaton, die Stasi, MOTÖRHEAD oder eben den bereits genannten Undergroundbands. Es wird mit Gleichgesinnten über die Szene schwadroniert, gesoffen und diverse Klischees der 80er Jahre bedient.
Die Reise nach „Achtopol“ als nüchterner Blick in den Rückspiegel
Die Erzählung ist zweigeteilt. Während der Daumen im Wind das Trampen von Berlin nach Bulgarien ausschmückt, ist der Wind im Visier die nüchterne Betrachtung 30 Jahre später. Die Reise wird ein zweites Mal angetreten und Lutter erzählt aus seinem heutigen Blickwinkel den gefahrenen Weg mit dem Motorrad. Dabei verknüpfen sich die beiden Reisen, sodass sich die 30 Jahre auseinanderliegenden Ereignisse schlüssig und unterhaltsam verfolgen lassen.
Die Frage ist, wer sich „Achtopol“ zu Gemüte führen sollte. Generell sind Kenntnisse der Musik in den 80ern nicht schlecht. Die LP „Irish Tour“ von RORY GALLAGHER muss nicht im Plattenschrank stehen, aber wenn der leider verstorbene irische Künstler ein Begriff ist, dann ist es kein Nachteil. Durch die Verknüpfung der beiden Erzählungen mit einer 30-jährigen Diskrepanz, kann auch die interessierte Leserschaft, die die 80er Jahre nicht kennt oder erlebt hat, der Story folgen. Für Silberrücken öffnet sich ein Rückspiegel, wo Grenzen geschlossen sowie Menschen bespitzelt und schikaniert wurden.
Nach Genuss der circa 250 Seiten und dem Blick in den Rückspiegel, erscheinen ewig gestrige Menschen, die den alten Systemen nachhängen, wie Trottel. Die Vorteile von offenen Grenzen, ohne Diktator, Stasi und Securitate, sind anscheinend nicht angekommen. Oder ist es einfach pure Dummheit? Der Kreis schließt sich und wir sind beim „Katzengold“. Der Song stammt aus der Feder von Kay Lutter und ist auf der neuen Scheibe „Wolkenschieber“ von IN EXTREMO zu finden. „Schweine grunzen, Hunde kläffen, der Blitz soll Dich beim Scheißen treffen“.
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