Katatonia - City Burials

Review

Die Zukunft von KATATONIA lag zwischenzeitlich im Ungewissen – am Ende allerdings erfreulicherweise weit weniger lang, als viele befürchtet haben. Als die Band 2018, nach Beendigung der Touraktivitäten zum zehnten Studioalbum „The Fall Of Hearts“, eine Auszeit auf unbestimmte Zeit ankündigte, dürften sich nicht wenige Fans gefragt haben, ob nicht gar das Ende der schwedischen Depressiv-Rocker bevorsteht. Überraschend fand man sich dann bereits ein Jahr später zu einer Mini-Tour anlässlich des zehnten Jubiläums von „Night Is The New Day“ wieder zusammen. Offenbar beflügelt von den Erfahrungen dieser Tour, werkelten Jonas Renkse, Anders Nyström und Co. danach direkt an einem neuen Langspieler. Mit „City Burials“ steht jetzt also, nur zwei Jahre nach dem Verkünden der Auszeit, ein neues Album in den Startlöchern. Grund genug zu überprüfen, ob diese der Band auch gut getan hat. Mehr zu den Hintergründen erfahrt Ihr übrigens auch in unserem Interview mit Jonas Renkse.

KATATONIA – Von verschachtelt bis klassisch

Nach einem bereits emotionalen, aber auch sehr typischen Intro, entpuppt sich „Heart Set To Divide“ als verschachtelte, etwas sperrige Nummer für einen Opener, die aber im Gesamtkontext an dieser Stelle durchaus Sinn macht, schlägt sie doch am ehesten eine Brücke zum Vorgänger. Wie stark es eine Band beflügeln kann, immer wieder ein paar für den eigenen Sound neue Einflüsse zuzulassen, zeigt „Behind The Blood“, das irgendwo zwischen fast schon fluffigem Progressive Rock und sehr klassischem Heavy Metal pendelt. Eine Facette, die sich ganz hervorragend in das Klangbett der Schweden einfügt, ganz davon abgesehen, dass die auf den Punkt gesetzten Soli selbst einige Vertreter der trven Zunft neidisch machen könnten. Ganz groß!

Für einige überraschte Gesichter dürfte „Lacquer“ gesorgt haben, das als erste Single zunächst die Frage aufkommen lies, ob KATATONIA sich nun stärker elektronischen Sounds hingeben. Das ist natürlich Quatsch, waren sie solchen Experimenten doch noch nie abgeneigt, zuletzt noch zu hören auf „The Fall Of Hearts“ in Form der Bonus-Zugabe „Vakaren“. Die Wahl des Songs als Vorabauskopplung ist dennoch nachvollziehbar, handelt es sich doch trotz oder gerade aufgrund der ungewöhnlicheren Instrumentierung um eine der stärksten Kompositionen der Platte.

Auch wenn das Songwriting auf „City Burials“, für das übrigens dieses Mal Sänger Jonas Renkse allein verantwortlich zeichnet, definitiv straighter ausgefallen ist, als auf dem eher progressiv-verspielten „The Fall of Hearts“, sind es vertrackte, abwechslungsreiche Songs wie „Rein“, die zeigen, dass man sich auch künftig keinesfalls dem Komplexen verschließen möchte. Aber auch ganz klassische KATATONIA-Hymnen wie „The Winter Of Our Passing“, die allen Fans ab „Viva Emptiness“ sofort ins Ohr gehen und im Vergleich zum qualitativ hochwertigen Back-Katalog keinesfalls abfallen, sind nach wie vor im Repertoire.

„Vanishers“ dürfte der Song sein, der am meisten polarisieren wird. Die klassische Ballade tut dem Fluss des Albums sicherlich gut, auch die Idee ein Duett mit einer weiblichen Partnerin daraus zu machen, ist nachvollziehbar. Das gilt aber nur bedingt für die Wahl von Anni Bernhardt von den Art-Rockern FULL OF KEYS, deren samtig-zarte Stimme insbesondere den Refrain sehr nah an die Kitschgrenze befördert. Ein bisschen weniger Zucker hätte der Nummer in jedem Fall gut getan.

Auch wenn die etwas besonderen Songs, in denen mehr Experimente gewagt werden in der ersten Hälfte zu finden sind, heißt das keinesfalls, dass die zweite schwächer ausfällt. Diese zeichnet sich auch im Besonderen dadurch aus, dass sich immer wieder liebevolle, kleine Verweise auf die eigene Entwicklung innerhalb der letzten 15 Jahre finden lassen. Es entsteht fast so etwas wie eine kleine Werkschau des eigenen Schaffens. Selbst das kurze Zwischenspiel „Lachesis“ ist nicht einfach nur eine Einleitung oder gar ein belangloser Füller. Viel eher wünscht man sich, dass es aufgrund seiner emotionalen Klaviermelodie zu einem kompletten Song ausgebaut worden wäre.

Wird auch nach Jahren noch gerne aufgelegt – „City Burials“

Es ist immer wieder erstaunlich wie sich KATATONIA-Alben zunächst maskieren. Beim ersten Durchlauf klingen gerade die Gesangslinien ein wenig eintönig, wenig spektakulär – selbst als Fan der Band. Ungefähr nach dem dritten vollständigen Hören entfaltet sich dann aber die komplette Schönheit und man weiß wieder, welch ein Genie in Jonas Renkse steckt, gerade mit seiner nicht unbedingt variantenreichen Art zu singen, so viel Gefühl ausdrücken zu können. Selbst nach längerer Zeit, lassen sich auch auf „City Burials“ immer noch kleine Nuancen entdecken, die einem vorher gar nicht aufgefallen sind. Solche Alben sind es, die man auch nach Jahren immer wieder gerne auflegt.

Tatsächlich findet sich auf der gesamten Platte kein einziger Song, der nicht irgend etwas besonderes hat, sei es diese kleine, prägnante Gitarrenmelodie, ein geniales Solo oder natürlich einprägsame Gesangslinien, die dieses Mal noch ein wenig eindrucksvoller ausgefallen sind. Irgend etwas bleibt also immer hängen, weshalb sich auf „City Burials“ überhaupt kein wirkliches Füllmaterial befindet.

KATATONIA sind sie selbst geblieben, haben sich nicht neu erfunden, gehen in einigen Bereichen ein paar Schritte zurück, um in anderen einige nach vorn zu machen. Im Grunde ist „City Burials“ das Rundum-Sorglos-Paket für den gestandenen Fan, der insgesamt leicht gestiegene Härtegrad dürfte außerdem für Verzücken sorgen. Die im Vergleich zum Vorgänger wieder etwas gesteigerte Eingängigkeit überzeugt vermutlich sogar einige der Band bislang nicht so zugetane. KATATONIA melden sich also nicht zurück, sie waren einfach nie weg!

20.04.2020

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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