Katatonia - Brave Murder Day

Review

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Weniger ist mehr. Unter diesem treffenden – wenn auch leider etwas abgedroschenen – Slogan könnte man KATATONIAs „Brave Murder Day“ wunderbar verkaufen und würde dabei genau des Pudels Kern treffen. Um es gleich vorwegzunehmen: „Brave Murder Day“ ist eines der düstersten, intensivsten und gleichzeitig emotionalsten Alben, die ich je hören durfte. Von der ersten Sekunde an wird hier eine derart hypnotisierende Atmosphäre erzeugt, dass man erst nach dem „Ausklingen“ der letzten Töne wieder zu sich findet.

Auf dem grandiosesten Werk der Bandgeschichte, wenn nicht gar in 30 Jahren Doom Metal, perfektionieren die Mannen um Jonas Renkse die Effektivität der Schlichtheit. Dabei erbringen sie den Beweis, dass man durch den wohlbedachten Einsatz von Stilelementen einen viel größeren Effekt erzielen kann, als durch das totale Durcharrangieren von Songstrukturen. Im Aufbau der einzelnen Songs findet man jeweils zwei bis drei Themen, welche sich stilistisch und stimmungstechnisch klar voneinander unterscheiden und in jeweils unveränderter Form ein komplettes Lied zu tragen vermögen. So kommt es teilweise vor, dass der eine oder andere konstituierende Akkord über die Dauer eines Songs gänzlich unverändert bleibt und so eine unverwechselbare Tristesse in die Songs einfließen lässt, die für das gesamte Album stilprägend ist. Die Stimmung ist zwar stets sehr melancholisch, jedoch driftet sie aufgrund der ihr innewohnenden Aggressivität nie ins Depressive oder Klagende ab. Es ist vielmehr ein innerer Kampf, das vergebliche Aufbäumen gegen den nicht aufzuhaltenden Verfall, den unwiederbringlichen Verlust und das unausweichliche Versagen, das die Stimmung in dunkle, triste Farben taucht. Müsste man diesem Album einen Monat zuordnen, wäre es wohl der November mit seinen düsteren, trüben, grauen Tagen, der die Szenerie für die Texte bieten würde.

Bezeichnenderweise heißt es in „Day“, dem einzigen komplett clean gesungenen Lied: „gray park look the same and the days are pale, I never thought it would rain this way“. Dieses „look the same“ könnte man so auf jeden einzelnen Song beziehen, denn Veränderungen beobachtet man während der einzelnen Themen kaum. Das Geniale an „Brave Murder Day“ ist jedoch gerade, dass es den Musikern gelingt, aus dieser Simplizität zu schöpfen und das Album nie eintönig werden zu lassen. So reduziert die Songstrukturen sind, so überraschend ist der Einsatz der exzellent gewählten kontrapunktierenden Stilmittel, die immer wieder für wahre Gänsehautattacken sorgen. So kommt auf der kompletten Scheibe an genau drei Stellen die Doublebass zum Einsatz. Das geschieht jedoch so unvermittelt und überraschend, dass einem der Atem stockt.

Ein anderes Beispiel für diese Momente, in denen einem das Herz bis zum Halse schlägt, ist das plötzliche Auftauchen zweistimmiger Passagen: man höre sich nur beim letzten Song „Endtime“ die Stelle an, an der es heißt „pierced by darkness“, wo die Death Grunts nur für die kurze Dauer dieser drei Worte Verstärkung von gefauchten Black Metal Screams bekommen, die aus diesem Augenblick einen ungeheuer intensiven Moment machen! Die kompletten Death Growls stammen dabei von keinem Geringeren als Mikael Åkerfeldt, der auf dem Album als Gastmusiker fungiert und sonst mit seinem einmaligen Organ die Alben von OPETH zu wahren Meisterwerken veredelt. Die selten auftauchenden cleanen Vocals stammen dagegen von Gründungsmitglied Jonas Renkse, der bekanntlich auch heute noch KATATONIA seine unvergleichliche Stimme schenkt.

„Brave Murder Day“ lebt von diesen Wechselbädern, indem es den Hörer von einem Extrem ins andere wirft, und das selbst beim Ende der Platte konsequent durchhält. Im letzten Song, eben „Endtime“, dem düstersten und unheilvollsten Stück der Scheibe, praktisch dem emotionalen Höhepunkt, bricht der Song nach knapp sieben Minuten abrupt ab und lässt den paralysierten Hörer einfach in die Stille fallen. Ein Aufprall, der erst einmal verdaut werden will! „Brave Murder Day“ ist eine Platte für die ganz besonderen Momente und sie überrascht jedes Mal aufs Neue mit ihrer schlichten Rohheit, die nebenbei so mancher „true“ Black Metal Scheibe an Düsternis und Simplizität das Wasser reicht. Müsste ich mich für eine einzige CD entscheiden, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde, so wäre es „Brave Murder Day“. Auch wenn ich dann wohl auf der einzigen Karibikinsel mit Novemberwetter wäre. „Brave Murder Day“ ist ein zeitloses Meisterwerk und für mich das unangefochten beste Album aller Zeiten.

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13.08.2005

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8 Kommentare zu Katatonia - Brave Murder Day

  1. azaroth sagt:

    Thomas, Du weißt dass sich unser Geschmack in etwa deckt – ich unterschreibe Dein Review sofort – wenn es 11 Punkte gäbe, ich würde sie geben – das beste Album von Katatonia und eines der besten Alben in der Geschichte der schwermetallischen Musik !

    10/10
  2. akula sagt:

    Kommt etwas spät das Review wa? … 😀

    Trotzdem volle Zustimmung, auch wenn es bei mir keine "Beste" gibt und die einsame Insel nicht nur eine CD vertragen würde, sprich ich lieber untergehen und sterben, als nur eine CD dorthin schleppen zu dürfen. 😉

    10/10
  3. horizon sagt:

    Eine Schande, dass ich erst durch das Review auf diese grandiosen 40min Musik gestoßen bin. Selten war ich von der Gesamtheit jedes einzelnen Songs dermaßen fasziniert…ein Meisterwerk! Gänsehautfeeling garantiert!

    10/10
  4. Anonymous sagt:

    Oh.hab´..noch keine Bewertung zu diesem Meisterwerk melancholischer Tonkunst abgegeben..Ich kenne nix vergleichbares in diesem Sektor und allleine deswegen verdient das Scheibchen klar seine 10..die Gefühle, alleine beim hören vom Opener "Brave", sind unbeschreiblich..

    10/10
  5. shadowofdeath sagt:

    Was soll man zu diesem Meisterwerk sagen?
    Zurücklehnen und genießen!

    10/10
  6. Anonymous sagt:

    Mehr als eines Ditos bedarf es hier wohl kaum. Ein einmaliges Album, dessen Atmosphäre unerreicht ist. Und bleibt. Eine der ganz wenigen Scheiben, denen ich bedenkenlos zehn Punkte zuspreche. Kurz: "The sound of falling, where the pictures are moving…" – Fallen tut der Hörer unvermeidlich, bewegende Bilder vor dem geistigen Auge sind inbegriffen.

    10/10
  7. Anonymous sagt:

    ich kann ehrlich gesagt die so hohe faszination dieses albums nicht ganz nachvollziehen.
    es mag emotional sein, ja, aber auf musikalischer ebene und von der produktion her ist es in meinen augen nie im leben 10 punkte wert.
    vielleicht versteh ich dieses werk auch einfach nur nicht, mag sein, aber in meinen augen gibt es weitaus besseres und emotionaleres als die "brave murder day", man muss nur mal "night is the new day" anhören, das ist von emotionalität kaum zu toppen!!!

    2/10
  8. leo sagt:

    "Brave Murder Day" ist ein ergreifendes und abgrundtief melancholisches Album. Die Riffs sind bewusst simpel, aber dadurch umso mächtiger und dienen meist als Fundament einer zerbrechlichen und beinahe schwerelos wirkenden Gitarrenmelodie. Trotz des melodisch anmutenden Charakters der Musik, liegen Welten zwischen Brave Murder Day und der hektischen Virtuosität eines Opeth-Albums – daran ändern auch Åkerfeldts markante Growls nichts. Katatonias Konzept für dieses Album besteht viel mehr daraus, den Hörer mit monotonen Riffs zu hypnotisieren und emporzuheben, um ihn dann unvermittelt in die finsterste Leere fallen zu lassen. Dies wird erreicht durch das oben erwähnte Zusammenspiel von Rhythmus- und Lead-Gitarren sowie sparsam eingesetzte Wechsel zu neuen Parts und Höhepunkte wie Blastbeat-Attacken, Guitar-Tappings oder Ähnliches.

    Jedem Fan von melancholischer und intensiver Musik kann ich dieses Album uneingeschränkt empfehlen. Als Hörprobe eignet sich jeder Song mit Ausnahme "Day", welches sich durch seinen ruhigen Aufbau und Renkses Gesang doch sehr stark vom Rest unterscheidet.

    Für mich ist "Brave Murder Day" Katatonias bestes und überhaupt eines der intensivsten Alben, die ich kenne.

    10/10