Kamelot - The Shadow Theory

Review

„The Shadow Theory“ nennt sich das neue Album aus dem Hause KAMELOT, über dessen Hintergründe bereits Kollegin Angela mit Bandkopf Thomas Youngblood und Sänger Tommy Karevik gesprochen hat. Mehr „auf die Fresse“ solle es demnach geben. Gibt es auf einigen Songs auch, allerdings fällt die Härte aufgrund des zumeist im Midtempo trottenden Materials und der wenig dynamischen Rhythmik nicht wirklich ins Gewicht. Und viel mehr als die üblichen Taktarten, die keinen Pop-Fan der Welt aus der Ruhe bringen sollten, ist hier eh nicht drin, wirklich „hart“ im Sinne von heavy, geschweige denn progressiv wird es also auch hier nicht.

Über ihre Schatten springen KAMELOT nicht gerade

Was nicht heißt, dass die Band nicht doch mal offensiv aus der Reserve kommt: „Mindfall Remedy“ ist vergleichsweise aggressiv ausgefallen, auch Dank der Shouts von Gastsängerin Lauren Hart (ONCE HUMAN), und entpuppt sich als Highlight der Platte. Cheese wird natürlich trotzdem reichlich geboten und die Symphonic-Elemente hat die Band so oder so ähnlich schon vor über zehn Jahren verwendet. Originell geht also anders, aber solange es gut genug funktioniert, will man sich ja nicht beschweren. Eigentlich managen die Herren auf den besseren Songs wie „Phantom Divine (Shadow Empire)“ dank guter Gesangsmelodien von Seiten Kareviks und guten, orchestralen Arrangements, die sich nicht zu sehr in den Vordergrund spielen, den Blutzuckerspiegel tatsächlich einigermaßen kompetent. Ein bisschen erinnert dieser Song an den Titeltrack von „Ghost Opera„. Überhaupt liefert Karevik eine gute Vorstellung ab, bewegt sich dabei zwischen Dramatik und Soul, hält sich mit Cheese zurück, so gut es eben geht, will sagen: so es denn der entsprechende Song zulässt.

Bevor ich weitermache, sei gleich vorausgeschickt: Wer unter Diabetes leidet, sollte einen großen Bogen um die Platte machen. Denn das Album ist teilweise derart kitschig ausgefallen, dass es schon wehtut. Das ist zwar irgendwie schon immer ein Teil des KAMELOT-Sounds gewesen und Liebhaber der Band werden das auch schätzen, aber dennoch sei hierauf hingewiesen.

Kitsch und noch mehr Kitsch

Denn mitunter latschen KAMELOT mit so Aktionen wie dem Kinderchor zum Ende von „Burns To Embrace“ volle Kanne ins überzuckerte Fettnäpfchen und laufen zur kitschigen Höchstform auf. Als ich die Stelle zum ersten Mal gehört habe, bin ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Und um dem noch die Krone aufzusetzen folgt die schmalzige Ballade „In Twilight Hours“ mit Jennifer Haben quasi als Gnadenstoß auf dem Fuße. Spätestens hier erreicht der Saccharose-Wert den kritischen Bereich. Noch dazu ist es eine dieser ansonsten eher faden Balladen, die abgesehen von den üblichen, süßlichen Harmonien wenig zu bieten hat. Mit denen schrammt der Song nur knapp am Schlager vorbei, was auch für das diesmal ohne Feature daher kommende „Stories Unheard“ gilt. „Static“ ist – ebenfalls abzüglich weiblichen Gesangsparts – noch so ein Schmalzer, für den aber wenigstens die für Band-Verhältnisse schroffen Gitarren sprechen.

Naja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht…

Es gibt also Licht und Schatten im Reiche KAMELOT. Die überdramatischen Gesten der Band, die sich auch auf ihrem neuesten Album viel zu ernst nimmt, sind zumindest für den einen oder anderen unfreiwilligen Lacher gut, solange der Cheese-Faktor den kritischen Bereich nicht überschreitet und an Körperverletzung grenzt wie bei diesen furchtbaren Balladen und den anderen cheesy Gemeinheiten, die insgesamt etwas um ein Drittel der Trackliste ausmachen. Neben zumeist in Ordnung gehenden aber auch wenig auffälligen weil recht poppigen Songs tummeln sich dennoch tatsächlich ein paar brauchbare Hits, die freudig an die Hochphase der Band denken lassen. Man nehme nur „Ravenlight“, bei dem die Gitarre erfrischend entfesselt aufspielt – da macht das Zuhören wieder deutlich mehr Spaß. Zum Weglaufen, wie kraft eines Zuckerschocks eingangs von mir befürchtet, ist das Album also letzten Endes doch nicht. In diesem Sinne: Tut nicht weh. Naja, nicht sehr.

07.04.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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