Kamelot - Haven

Review

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Als ich von KAMELOTs neuem Album „Haven“ erfuhr, machte mein Herz sofort einen freudigen Satz. Das lag nicht zuletzt an dem durch und durch überzeugenden Vorgänger „Silverthorn“, der mit einem traurig-schönen Konzept, einer beeindruckenden Atmosphäre und nicht zuletzt einem neuen Sänger, der bereits durch seine Arbeit mit SEVENTH WONDER zeigte, welche vielfältigen Möglichkeiten auch für zukünftige Produktionen in ihm stecken, auch auf Dauer an sich zu binden wusste. Hinzu kam ein Cover-Artwork (Stefan Heilemann), das mehr als nur ansprechend war und das Feuer der Erwartung somit weiter schürte. Aber wurde es am Ende befriedigt?

Zunächst mal bleibt zu sagen, dass KAMELOT begonnene Kapitel weiter schreiben, was düster war, ist düster geblieben. Allerdings vermochte mich „Haven“ nicht auf Anhieb zu fesseln wie sein Vorgänger, es fehlen Mega-Nummern wie „Torn“ oder „Veritas“. Zudem war der Einfluss des Chors in der KAMELOT-Welt eindeutig gestiegen, was zu Beginn ein wenig irritierte. Ich war also zunächst mal nicht so begeistert, was sich aber intensiv ändern sollte, wie die Bewertung bereits verrät.

Mit „Fallen Star“ liefern KAMELOT gleich zu Beginn ein wunderschönes herzzerreißendes Intro, das in einem Einstiegsrefrain mündet, dessen Melodie komplett abholt und im Gedächtnis bleibt. Es folgen mit der Single „Insomnia“, „Citizen Zero“ und „Veil Of Elysium“ drei weitere starke Songs, die allesamt durch ihre ansprechenden Melodien und mit viel Mehrstimmigkeit bestechen. Insbesondere bei Track 3 erinnert der Chor in der Bridge an Monumentalwerke wie ERIC-LEVI-KOMPOSITIONEN, im Nachfolger kommt zur Abwechslung dann ein Kinderchor ins Spiel.
Besonders berührend war für mich die Ballade „Veil Of Elysium“, ein wunderschönes Duett mit Charlotte Wessels von DELAIN, das direkt unter die Haut geht, insbesondere wenn Tommy zu seinem „but I die“ ansetzt und dem Text erfolgreich Leben einhaucht.
„My Therapy“ kommt nach dieser eher ruhigen Nummer dann wie der Start eines zweiten Albumteils daher. Es beginnt mit einem Flüstern und wird dann schlagartig härter, dabei immer melodiös. Ähnliches gilt für das kurze, instrumentelle und sehr düstere Intro „Ecclesia“ und den dazugehörigen Song „End Of Innocence“, der einen dramatischen Aufbau aufweist – sehr gelungen!
Mit „Beautiful Apocalypse“ werden dann auch arabische Klänge mit in „Haven“ aufgenommen, besieht man sich eine Vielzahl von Bands darunter EPICA, ist das derzeit  fast schon etabliert. Auch hier fügt es sich perfekt ins Gesamtbild ein, sich insbesondere die weibliche Zweitstimme gewinnend auswirkt. Es folgt ein weiterer Höhepunkt mit „Liar Liar (Wasteland Monarchy)“, bei dem der Refrain teilweise an einen düsteren Kinderreim erinnert und die zwei Gastsängerinnen Charlotte und Alissa die Band erfolgreich unterstützen, ein eingängiger Song, der sich nach hinten heraus steigert.
Eine zweite Ballade wird mit „Here’s to the Fall“ geliefert. Diese ist mit Zeilen wie „we’re nothing but leaves in the wind“ düster-traurig, aber dennoch sehr schön, mit einer Klavier-Streicher-Kombi, die mir sehr gut gefallen hat. Das Ganze leidenschaftlich gesungen, es hätte der perfekte Abschluss sein können.
Allerdings folgen mit „Revolution“ und „Haven“ noch zwei weitere Nummern, die mich nicht ganz so begeistern konnten wie der Rest. Damit will ich den beiden auf keinen Fall die Legitimation absprechen. „Revolution“ ist ein teilweise dissonant-aggressiver Song, bei dem zum Schluss nochmal richtig die Post abgeht und bei dem Alissa nochmal voll zum Einsatz kommt, „Haven“ als titelgebender Song eine instrumentelle Ausleitung, die durch den teilweise epischen Charakter in Ansätzen an TWO STEPS FROM HELL erinnert (man könnte auch schlicht sagen „cinematic“), mich aber einfach nicht so berühren konnte wie der Rest des Albums.

Dass das Jammern auf sehr hohem Niveau ist, ist unbestreitbar, denn KAMELOT haben mit „Haven“ ein kleines Meisterwerk abgeliefert. Das liegt unter anderem an Tommy Karevik, der mal wieder genial gesungen hat und für KAMELOT in etwa das sein dürfte, was Floor Jansen für NIGHTWISH ist: ein echter Gewinn! Es gibt wohl niemanden, der Wörter wie „Darkness“ oder „Shadow“ mit einer solchen Intensität wie Karevik singen kann, hinzu kommt eine breite Range und ein Bühnencharisma, das auch auf CD übertragen werden konnte.
„Haven“ ist zudem erneut unheimlich atmosphärisch, besonders die Stellen, bei denen die Instrumente reduziert oder herausgenommen sind, bringen eine Dynamik ins Spiel, die den Hörer fesselt. Die Text-Musik-Kombi ist hervorragend, die Texte ansprechend und inhaltlich interessant bis mitreißend, teilweise kritisch, symbolisch oder simpel aber effektvoll emotional.
Auch sonst bekommt der Hörer das, was er von KAMELOT wahrscheinlich erwartet: melodiösen Metal, mit tollen Tastenparts, der aber darüber nie die Saiten vernachlässigt, sondern beispielsweise immernoch den Metal auszeichnende gute Gitarrensoli bietet. Bei all dem wird die Band von drei Gastmusikern unterstützt: Alissa White-Gluz (Arch Enemy, ex The Agonist), bekannt durch Silverthorn (live sowie auf CD), Troy Donockley (Nightwish) und Charlotte Wessels (Delain, Karmaflow).

Insgesamt also ein wunderschönes Album, das die Düsterheit des Vorgängers konzeptfrei fortführt, was dem ganzen keinen Abbruch tut. Definitiv zu empfehlen, nicht nur für Fans der Band, sondern für alle Hörer, die Wert auf melodiösen Metal legen und ein für Emotionen empfängliches Herz haben.;)

 

05.05.2015

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