DRAUGSÓL sind nach nur einem Album Geschichte. Schade drum, doch die Musiker werkeln heuer als KALEIKR weiter und haben dabei weit mehr als nur ihren Namen geändert. Stilistisch ist „Heart Of Lead“ eine vielschichtige Weiterentwicklung, die sich nur noch bedingt mit den Vergleichen des Kollegen Möllers in seiner Review zu „Volaða Land“ in Einklang bringen lässt.
KALEIKR sind nicht typisch isländisch
Des einen Pech, mag in diesem Fall des anderen Glück sein – auch wenn „Heart Of Lead“ bis dahin viel Zeit verschlingt. Nicht auf den ersten, nicht auf den zweiten und noch nicht mal auf den dritten Höreindruck lassen sich KALEIKR wirklich in die Karten gucken, dadurch können sie schnell zäh werden. Es ist auch nicht mit einem „Aha-Erlebnis“ getan, doch Stück für Stück wächst die Faszination für diesen neuerlichen Ausbruch der isländischen Szene, der mal wieder eine andere Facette zeigt.
KALEIKR gehen nämlich weder orthodox-finster zu Werke, noch so melodisch-geradlinig wie beispielsweise AUÐN. Stattdessen richten sie das Augenmerk auf komplexe, vielseitige und teils auch anstrengende Kompositionen, die mal mehr, mal weniger an eine Schnittmenge aus neueren ENSLAVED und sogar OPETH (besonders deutlich in „Neurodelirium“) erinnern – hier hat die Labelinfo tatsächlich recht. „Heart Of Lead“ ist entsprechend voll von Songs, die allein für sich selbst unendlich viel Aufmerksamkeit fordern. Tempo- und Motivwechsel lauern an jeder Ecke und werden von harmonischen Momenten zusammengehalten, die einen in trügerisch hypnotische Gefilde führen.
„Heart Of Lead“ wird nie langweilig, fordert aber eine Menge
Langeweile kommt so nicht auf, und trotzdem sind die feinen Schattierungen häufig erst auf den dritten Blick wirklich interessant. KALEIKR können nämlich alle möglichen Seiten in ihrer Musik unterbringen: Von Sturmböen über melancholisch verzweifelte Momente bis hin zu purer Schönheit gibt es viel zu entdecken, das zeitweise gar in einem einzelnen Augenblick eingefangen wird. Auch ekstatische Ausbrüche sind wie in „Of Unbearable Longing“ möglich, wenn die Doublebass in rasantem Tempo alles niederwalzt. Doch meist währt dieser Sturm nur kurz und flaut ins nächste Motiv, in diesem Fall flirrend-beruhigende Gitarren, ab.
Dass „Heart Of Lead“ trotzdem ein paar Abstriche hinnehmen muss, liegt vermutlich an dem Anspruch der Isländer an sich selbst. Die wenigen proggig-frickeligen Ausflüge hätten wegen mir nicht sein müssen und gesanglich wäre ein zumindest etwas erweiterter Facettenreichtum sicher positiv für KALEIKR im Gesamten. Die kehligen Growls fügen sich zwar ein, bieten aber auf lange Sicht wenig emotionale Spannungsmomente, welche die Band über die restlichen Instrumente dagegen am Fließband liefert. Ein Album, das trotz seiner hohen Klasse noch etwas Luft nach oben bietet – von gespanntem In-die-Zukunft-blicken abgesehen, lässt sich hier aber auch der Ist-Stand hervorragend entdecken und genießen.
Eine nahezu ziseliertes, sich aber ohne Unterlass aufbäumendes Album. Ich addiere zu den oben genannten Referenzen noch eine gute Prise Akercocke und das ein, oder andere Peacevillemoment.
„und das ein, oder andere Peacevillemoment.“
Was ist denn ein Peacevillemoment?
vielleicht als man bei Earache, Peaceville und Nuclear Blast noch blind bestellen konnte? oder wie es aktuell bei VAN Records ist? Nostalgie?
@royale: so meinte ich das 😉
Bei Nuclear konnte man jemals blind bestellen? Das dort taube bestellen ist klar.
Egal, Peaceville haben immer noch ein starkes Lineup, finde ich.
Schau dir mal die NB VÖs bis ’95 an. Da ist ist mit Sicherheit etwas für dich dabei. Andererseits: Deine Prinzipien.
Brauche ich zum Glück nicht, es kommt genügend gutes Zeugs heraus und stehen geblieben bin ich zum Glück nicht. 🙂
Na gut, beim Black Metal vielleicht schon, aber da gibt es im Vergliech zu den 90ern meiner Meinung nach auch nichts besseres heute, höchstens nette Kopien (Mork, Mortem, Aeternus etc.)
ja stimmt, das meiste habe ich aus dieser Zeit! Righteous Pigs, Defecation, Disharmonic Orchestra, Pungent Stench, Master, Incubus, Revenant…..alles geiles Zeug.
https://youtu.be/C6hfUuh3LgA
Sooooooo gut!!!
Auf deinen Wunsch hin unter dem November Soundcheck der Rest meiner Top drei 😉
Prophecies of a Dying World klingt irgendwie nach Gerta Thunberg und sieht auch so aus. :)))
Und sie war damals ja noch nicht mal flüssig. Entschuldigung.
Oh man, mittlerweile eines der Alben die bei mir jeden Tag laufen, rauf und runter. Unfassbar GEILE Produktion!!! Und was für ein fulminant geniales Album.