KADAVRIK wurden in den letzten Jahren nicht immer nur in den höchsten Tönen gelobt. Angesichts der weitestgehend im Underground stattgefundenen Karriere der Band ist es schwierig, über sämtliche Veröffentlichungen im Bilde zu sein, zumindest der neue Longplayer „N.O.A.H.“, gemeinsam mit dem einen oder anderen Testdurchlauf früherer kreativer Ergüsse bei Youtube, lässt aber zumindest mich fragen, ob da mal wieder nicht richtig hingehört wurde. Die Band aus dem Westfalenland ist nämlich eines der talentiertesten und spannendsten jungen Musikerkollektive, die mir seit Langem aus unserem Heimatland untergekommen sind.
KADAVRIK schaffen einen wichtigen und viel zu selten vollzogenen Spagat: Sie krempeln nicht krampfhaft die gesamte Musiklandschaft um und beeindrucken nicht in erster Linie durch zwanghaftes Anderssein, aufgrund dessen man ihnen auch holpriges Songwriting und emotionale Kälte verzeihen würde. Sie gehen einen anderen Weg, kreieren ihren eigenen Stil, ihre eigene Welt, und sie bedienen sich dennoch Elementen, die einem so herrlich vertraut erscheinen – und das ist ihre Stärke und ihr Elixier, denn mit diesen Zutaten wirkt ihre Kunst kreativ, eigenständig, qualitativ hochklassig, und die Überzeugung für das, was sie tun, sprießt aus jeder Note hervor und überträgt sich auf den Hörer. Sehr seltsam, das müssen doch auch die Anderen mitbekommen …
Wie auch immer, Tatsache ist, dass KADAVRIK gleich mehrere Lager des härteren Metals bedienen. Im Grunde ihres Herzens sind sie eine Melodic-Death-Band, die sich vor Allem an den Elementen dieses Genres orientiert und mit den melodischen Gitarrenläufen, den effektiv-durchdringenden Riffs und dem derben, harten Gesang die Herzen der AT-THE-GATES-, DARK-TRANQUILLITY- und NIGHTRAGE-Fanbase höher schlagen lässt. Die dezent eingestreuten und äußerst atmosphärischen Gesänge sorgen für zusätzlichen Reiz, bewegen sich aber zu keinem Zeitpunkt in Modern-Metal-Gefilden, auch wenn der Sound von KADAVRIK in Teilen durchaus als zeitgemäß betitelt werden kann. Zu alledem kommt noch eine angenehme schwarzmetallische Note, dank des als wichtiger Anker fungierenden Keyboard-Orchesters liegt mir die Bezeichnung Symphonic manchmal auf der Zunge, auch wenn die vermutlich komplett in die Irre führt, sofern man noch keinen Ton der Band gehört hat. Der eröffnende Song „Legacy“ ist ein meisterhaftes Stück melodisch-harschen Metals, eher im mittleren Tempo angesiedelt, im zweiten Stück „Adipost Obstipation“ tritt die Band das Gaspedal durch und tobt sich im tiefschwarzen Dschungel aggressiver Unberechenbarkeit aus. Die Songstrukturen bleiben dabei angenehm zurückhaltend, wenn auch alles andere als simpel. KADAVRIK verstehen ihr Handwerk, brauchen aber nicht spastisch abzudrehen, um zu überzeugen.
Die vier letzten Nummern von „N.O.A.H.“ sind in Deutsch verfasst und bilden zusammen den konzeptionellen Teil des Albums. KADAVRIK beweisen mit diesem Schritt nicht nur Mut, sondern machen sogar eine gute Figur dabei: Melodic Death mit deutschen Texten hat einen Markt, weil die Idee als solche noch nicht von Vielen aufgegriffen wurde, zumal ohne platte Peinlichkeit und billige Provokation. Das Experiment ist gelungen, und dass es die Band trotz dieser kreativen Schlenker jederzeit schafft, glaubwürdig zu bleiben und ein homogenes, in sich schlüssiges Werk abzuliefern, macht „N.O.A.H.“ dann auch insgesamt zu einer lohnenswerten Investition.
Am Ende bleibt also wieder einmal die Erkenntnis, dass die deutsche Metalszene viel mehr zu bieten hat, als es auf den ersten Blick scheint. Um das zu erkennen, muss man die Lauscherchen allerdings auch mal ein bisschen weiter aufsperren als gewöhnlich.
Endlich mal jemand, der auch hingehört hat bevor das Review geschrieben wurde. Und vor Allem jemand, der auch den Wert und die Genialität der Band erkannt hat. Vielen Dank dafür Heiko!
Wer auf Melo Death steht sollte hier definitiv reinhören. Durch das Black Metal Gekeife auch für mich erträglich.