Ob es Vlad III. Drăculea, den walachischen Fürsten, welcher als historische Vorlage für Bram Stokers weltbekannten Vampir Dracula diente, wohl gefreut hätte, zu wissen, dass seine Taten auch Jahrhunderte später nach wie vor eine Vielzahl von Romanen, Filmen und TV-Serien inspirieren? Schwer zu sagen! Der Pfähler, wie er im Volksmund angeblich genannt wurde, ist ohnehin eine recht verklärte Person, bei der gerne mal die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmen. Dennoch: Vlad III. und seinem blutsaugenden Pendant gebührt 2019 unsere volle Aufmerksamkeit, haben sie doch tatsächlich eines der besten Alben des Jahres mitzuverantworten. Die unheimliche Legende des blutrünstigen Fürsten spielte nämlich auch bei der Entstehung von KADAVARs neustem Album „For The Dead Travel Fast“ eine erhebliche Rolle. Das Berliner Trio posiert auf dem Cover nicht nur vor Schloss Bran, dem angeblichen Domizil des blaublütigen Flattermanns, sondern ließ sich auch von dessen Geschichte inspirieren.
KADAVAR – Seit zehn Jahren überragend
Dementsprechend düster geht es auf „For The Dead Travel Fast“ auch zu. Stürmische Windböen hüllen den spannungsgeladenen Opener „The End“ mit seinen unheimlichen Vocals und der minimalistischen Instrumentierung in eine gespenstische Klangkulisse, die sich wie ein roter Faden durch das komplette Album zieht. Die eigentliche Reise der Toten beginnt dann schließlich mit der ersten Singleauskopplung „The Devil’s Master“, einer Nummer, die vor Atmosphäre und Retrocharme nur so strotzt. Angefangen beim drückenden Gitarrensound über die schwere, dröhnende Bassline bis hin zum exzellenten Drumming und dem hypnotischen Gesang stimmt hier einfach alles. KADAVAR in Höchstform – und das von Beginn an! Ebenso hochkarätig, aber eine Spur rockiger präsentiert sich „Evil Forces“. Die temporeiche Nummer überzeugt vor allem dank des groovig-eingängigen Hauptriffs und einem außerordentlich fetzigen Gitarrensolo.
„For The Dead Travel Fast“ erweist sich bis hierhin nicht nur als unglaublich spannende Platte, sondern stellt auch KADAVARs Vielseitigkeit eindrucksvoll unter Beweis. So baut sich das teils rhythmisch-rockende, teils düster-melancholische „Children Of The Night“ langsam auf, bleibt unvorhersehbar und arbeitet gezielt auf seinen absoluten Höhepunkt – das virtuose Gitarrensolo – hin. Auch besinnliche Momente kommen auf Album Nummer fünf nicht zu kurz: „Dancing With The Dead“ besticht mit tranceartigen Old-School-Vibes und einem wohligen Sound, in dem man schnell vollkommen versinkt. Mit „Poison“ heißt es dann wieder volle Kraft voraus! Der Song gehört wohl fraglos zu den rundesten Nummern, die das bärtige Trio je geschrieben hat. Neben der spannungsgeladenen, aber gleichzeitig energetischen Grundstimmung der Nummer sticht vor allem das Ohrwurmpotential des Refrains deutlich heraus.
Auch zum Ende hin geben sich KADAVAR keine Blöße: „Demons In My Mind“ kombiniert den altbewährten Sound der Band mit experimentellen Ideen und nostalgischen Klängen aus der Blütezeit des Hard Rocks. Dank des psychedelischen Feinschliffs nimmt die Nummer den Hörer zudem auf eine akustische Zeitreise mit. Das beklemmend-balladeske „Saturnales“ fließt zwar recht geradlinig (und im Vergleich zum Rest der Platte beinahe unspektakulär) vor sich hin, kann dank der melancholischen Gitarrenbegleitung und dem ruhigen Gesang aber mit seiner Gänsehautatmosphäre punkten.
Mit „Long Forgotten Song“ beenden KADAVAR ihre fünfundvierzigminütige Reise mehr als eindrucksvoll. Das große Finale beinhaltet noch einmal alles, was sich das Fanherz nur so wünschen kann: beseelte, atemberaubend schöne Melodien, schleppend-doomige Riffs, Nostalgie-Vibes, wehklagende Vocals, ein Drum- bzw. Gitarrensolo, eine Vielzahl an Spannungsmomenten, alte Einflüsse, neue Ideen… Ach, egal wie viele vermeintlich aussagekräftige Worte man für diese Nummer auch findet, sie werden diesem Meisterwerk ohnehin nicht gerecht. Sehr wahrscheinlich, dass uns KADAVAR hier mit ihrem bis dato besten Song bereichern.
„For The Dead Travel Fast“ – Eine Reise, die man sich nicht entgehen lassen darf
Angesichts der Hitdichte, des grandiosen Songwritings und der hörbaren Entwicklung der Band müssen Kritiker wie Fans davon ausgehen, dass sie mit „For The Dead Travel Fast“ das bis dato beste KADAVAR-Album in den Händen halten. Die Platte weist nahezu keine Schwächen auf und setzt in Sachen Atmosphäre, Kreativität und Sound noch einmal eine Wagenladung auf den ebenfalls schon gelungenen Vorgänger „Rough Times“ drauf. Einmal mehr beweisen Christoph „Lupus“ Lindemann, Simon „Dragon“ Bouteloup und Christoph „Tiger“ Bartelt eindrucksvoll, dass es für Fans von Doom Metal, Stoner Rock und anderen artverwandten Genres kein Vorbeikommen an dem kultigen Hauptstadt-Trio gibt. „For The Dead Travel Fast“ besitzt grundsätzlich das Potential, KADAVAR unsterblich zu machen – und die drei Retro-Rocker somit in die Fußstapfen des stets wiederkehrenden Blutsaugers Dracula treten zu lassen. So schließt sich dieser Kreis letztendlich also auch.
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