Judas Priest - Sad Wings Of Destiny

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Die Veröffentlichung des neuen JUDAS PRIEST-Albums „Firepower“ zog natürlich die unvermeidbaren Diskussionen über die Qualität des Albums mit sich – auch innerhalb unserer Redaktion. Gleichzeitig liefert die Platte aber auch die Steilvorlage für unsere neue Rubrik „Blast From The Past“, in der wir uns älteren Alben aus Metal und Umgebung widmen und versuchen, diese gemäß ihrer Einordnung in Band- und Musikgeschichte mal mit dem kritischen Auge zu beobachten. In jedem Falle brachte mich der Diskurs über „Firepower“ dazu, über meinen persönlichen Favoriten der Band „Sad Wings Of Destiny“ nachzudenken. Wie kommt es, dass eine Band mit einem aus heutiger Sicht geradezu lächerlich kleinem Budget ein so großes Album veröffentlicht haben? Das war ja noch die Phase der Band, in welcher das heute ikonische Lack-und-Leder-Image der Band noch nicht geprägt gewesen ist.

Ein steiniger Weg zum Ziel

Wie schon angedeutet, stammt „Sad Wings Of Destiny“ aus einer ganz anderen Zeit. Es dürfte ja hinreichend bekannt sein, dass die Anfänge von JUDAS PRIEST von sehr bescheidener Natur gewesen sind. Von der Gründung bis hin zur Veröffentlichung des Debüts „Rocka Rolla“ zogen an die fünf Jahre ins Land, die von massiven Besetzungswechseln gezeichnet gewesen sind hin zum Punkt, an dem auf dem fertigen Album kein einziges Gründungsmitglied zu hören war; ein Album, über das ein junger Rob Halford zu scherzen pflegte, dass die Fans es doch bitte verbrennen mögen. So unzufrieden ist die Band mit dem Ergebnis gewesen, dass sie mit dem Folgewerk alles besser machen wollten und und das auch tatsächlich schaffen sollten.

„Sad Wings Of Destiny“ ist von Anfang an ein Passionsprojekt der Briten gewesen. Während sich am Schemel hinter dem Schlagzeug wieder das Besetzungskarussel drehte und einer der früheren Schlagzeuger der Band, Alan Moore, dort Platz genommen hat, arbeiteten JUDAS PRIEST sowohl am als auch für das Album. Denn mit einem knappen Budget von 2.000 Pfund ein Album aufzunehmen ist keine leichte Aufgabe, war es schon damals nicht. Das ist nämlich alles an Mittel gewesen, was ihr damaliges Label Gull Records für die Aufnahmen und die Produktion locker gemacht hat. Und so so sind die einzelnen Bandmitglieder einer ganzen Reihe von Nebentätigkeiten nachgegangen, um sich dieses Projekt zu finanzieren. Tatsächlich hat die Band sogar ihre komplette Ernährung im Interesse der Arbeiten an „Sad Wings Of Destiny“ umgestellt.

JUDAS PRIEST übertreffen sich mit „Sad Wings Of Destiny“ selbst…

Diese Leidenschaft hört man dem Album an nahezu jeder Ecke an. Schon der legendäre Opener „Victims Of Changes“ zeigt, dass hier etwas ganz besonderes vorliegt. Der Song legt eine beeindruckende Progressivität zu Tage, die Möglicherweise gar nicht mal von vornherein beabsichtigt gewesen sein mag, da die Band hier im Grunde zwei Songs, „Whiskey Woman“ aus der Al Atkins-Phase und „Red Light Woman“, den Halford aus seiner vorigen Band HIROSHIMA mitgebracht hat, zusammen geführt haben. Doch dank des umsichtigen Songwritings merkt man das dem Track nicht an. Diese Klasse hält die Band über das gesamte Album. So kommt „The Ripper“ mit der Extraportion Dramatik daher. Ebenso großartig ist der geradezu expressive Instrumentalpart, in dem beide Gitarren für ein atmosphärisches Intermezzo von geradezu symphonischer Beschaffenheit allein gelassen werden. Das Doppel „Dreamer Deceiver“ und „Deceiver“ funktioniert ähnlich gut wie „Victims Of Changes“ und hätte möglicherweise auch unter einem Song zusammengefasst sein können. Doch aufgrund der grundverschiedenen Natur beider Tracks ist es auch verständlich, warum hier keine Verwebung erfolgt ist. „Dreamer Deceiver“ ist diese große Ballade, in der Halford seine Fertigkeiten als unglaublich guter Falsett-Sänger beweist, während „Deceiver“ mit deutlicherer DEEP PURPLE-Schlagseite drauf los rockt, harmonisch aber definitiv zu „Dreamer Deceiver“ aufschließt und am Ende den Bogen zu diesem auch schließt.

… zeigen aber noch Luft nach oben

Nach einem leicht klassisch anmutenden „Prelude“ folgt mit „Tyrant“ dann der nächste geradliniger Rocker, auf den jedoch nicht so gekonnt hingearbeitet wird, wie das beim vorangegangenen Doppel der Fall ist. Und das ist vielleicht der eine Kritikpunkt, den sich „Sad Wings Of Destiny“ wirklich gefallen lassen muss: Es zieht diese enorme songschreiberische Ambition, die auf der ersten Hälfte des Albums zur Schau gestellt wird, in der zweiten Hälfte nicht mehr ganz so konsequent durch, wenngleich die Songs das qualitative Niveau per se locker halten. „Tyrant“ ist nämlich trotz allem ein klasse Track, bei dem JUDAS PRIEST wieder ihre frühen Einflüsse – vor allem BLACK SABBATH und eben DEEP PURPLE – offen zur Schau tragen. „Genocide“ schlägt in die gleiche Kerbe, rockt dabei aber etwas grooviger und weniger offensiv, dafür umso schwerer. Unterdessen geht das abschließende Doppel „Epitaph“ und „Island Of Domination“ wieder etwas fließender ineinander über.

Eine Band auf dem Weg zur Größe

„Sad Wings Of Destiny“ bleibt trotz dieses einen Kritikpunktes jedoch ein großes Album, auf dem JUDAS PRIEST erstmals ihre enorme Klasse zur Schau stellen. Es ist natürlich ein stark durch die Siebziger beeinflusstes Werk und damit irgendwie wohl auch ein Produkt seiner Zeit. PRIEST mögen zu diesem Zeitpunkt noch nicht (bewusst) die Vorreiter-Rolle eingenommen haben, zumal hier wie eingangs erwähnt das einschlägige Image der Band noch nicht geprägt war und Halford überdies noch volles Haar hatte. Dennoch entwickelte sich „Sad Wings Of Destiny“ zu einem der ganz großen Klassiker nicht nur der Band, sondern des Heavy Metal insgesamt.

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11.04.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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4 Kommentare zu Judas Priest - Sad Wings Of Destiny

  1. DieBlindeGardine sagt:

    Allein für „victim of changes“ hat das album schon seinen klassikerstatus verdient, pure gänsehaut. Und „the ripper“ ist ja ebenfalls auch heute noch fester bestandteil vieler shows. Der rest des materials ist vielleicht über die jahre etwas ins hintertreffen geraten und ich selbst konnte mit den fast schon psychedelischen anflügen der ganz frühen priest immer nur bedingt was anfangen, trotzdem ist das hier geleistete top und stücke wie „tyrant“ und „genocide“ darf man ruhig mal wieder ausgraben und in die setlist packen.

    9/10
  2. der holgi sagt:

    man beachte bitte den Gitarrensound auf diesem Album, so gut wie keine Zerre. Das war selbst damals für eine Hardrockband schon ungewöhnlich, und fordert die Gitarristen zur spielerischen Präzision. Irre.

  3. metalfreak sagt:

    Between the hammer and the anvil , ich liebe den Song , kleiner Scherz am Rande.

  4. Der_Bauk sagt:

    wenn ihr könnt besorgt euch rocka rolla…dying to meet you…“than with an armraise the slaughter is started“
    Sicher gibt es so etwas wie Geschmack und Halford mag auch mal so mal so sein Schaffen bewerten, aber die Frühphase zeigt das Genie der Band, das dann in eine massiv vereinfachte musikalische Nische mündete, die die Sportwagen und Zigarren ermöglichte für die Band…Turbolover???…Aber das ist cool, wenn dieser Anspruch nicht verdeckt werden muss, um ihn zu erfüllen…