Judas Priest - Ram It Down
Review
Im Mai 1988 veröffentlichen JUDAS PRIEST ihr elftes Studioalbum „Ram It Down“, mit dem sie wieder zu alter Stärke finden und gleichzeitig Neues wagen.
Der Weg zu „Ram It Down“ – JUDAS PRIEST wagen das Sakrileg
Nachdem JUDAS PRIEST insbesondere mit den Alben „British Steel“, „Screaming For Vengeance“ und „Defenders Of The Faith“ den Heavy Metal entscheidend mitprägten, verließen die Briten mit dem Nachfolger zumindest teilweise den Pfad. Die Gitarristen K. K. Downing und Glenn Tipton entdeckten damals völlig neuartige Gitarrensynthesizer für sich und wollten sie in ihren Sound integrieren. Damit beschritten JUDAS PRIEST musikalisch neue Wege, gleichzeitig bedeutete das die Abkehr von der reinen Lehre und ein Sakrileg im so traditionsbewussten Heavy Metal.
Der Plan war, ein Doppelalbum namens „Twin Turbos“ zu veröffentlichen. Während der Aufnahmen in Nassau auf den Bahamas im Juni 1985 reifte dann der Plan, letztendlich nur die radiotauglichsten Songs zu verwenden, um eine kommerziellere Richtung einzuschlagen. JUDAS PRIEST wollten insbesondere in den USA erfolgreicher werden und gleichzeitig die Grenzen des Genres erweitern.
Das Resultat lautete schlicht auf den Titel „Turbo“, veröffentlicht am 15. April 1986. Ein Album, hart an der Grenze zum 80er Hard/Glam Rock, weichgespült, geschliffener, melodischer und mit Synthies aufgemotzt. Wirkungsvoll war „Turbo“ in jeglicher Hinsicht. Aber so wie neue, zuvor nicht denkbare Hörerschichten erreicht wurden, sagten sich gleichzeitig zig angestammte Fans von der Band los. Das Album verkaufte sich zwar gut, die Zahl von 2,5 Millionen verkauften Einheiten steht im Raum, blieb aber dennoch unter dem erwarteten Erfolg, wie ihn DEF LEPPARD oder VAN HALEN hatten.
Gleichzeitig bekämpfte Sänger Rob Halford in dieser Zeit erfolgreich seine Alkohol- und Drogensucht. Nicht nur deswegen eine Phase der Ernüchterung.
JUDAS PRIEST am Scheideweg
Wie sollte es also mit JUDAS PRIEST weitergehen? Die Band befand sich an einer Art Scheideweg. Weiter der kommerziellen Verlockung folgen oder besser sich auf die Kernkompetenzen verlassen? Letztendlich wurde es beides und mehr.
Die Band zog sich zurück nach Spanien, um über die Ausrichtung des nächsten Albums zu diskutieren und neue Songs zu schreiben. Zunächst entschieden sich die Briten, die weniger kommerziellen Überbleibsel der „Twin Turbos“-Sessions zu verwenden und auszuarbeiten. „Ram It Down“, auserkoren zum Titelsong, „Hard As Iron“, „Monsters Of Rock“ und „Love You To Death“ bildeten die erste Basis.
„Ram It Down“ entsteht mitten im Nirgendwo
Auf Anraten der Plattenfirma begaben sich JUDAS PRIEST im Dezember 1987 in die Puk Studios in Dänemark. Produzent Tom Allom produzierte ein letztes Mal die Band. Dort angekommen realisierten die Briten schnell, dass hier wilde Ausschweifungen wie während den Studioaufenthalten in Nassau und Ibiza nicht möglich waren, da das Studio mitten im Nirgendwo liegt. Ablenkungen gab es hier, insbesondere im Winter, nur wenig. Abgesehen von wenigen Trinkgelagen, aber ohne Rob. Es waren die ersten Aufnahmen, die Halford komplett nüchtern durchzog. Das führte zu einer schärferen, klareren Stimme.
Schlagzeuger Dave Holland (RIP 2018), dessen direktes Spiel seit seinem Einstieg 1980 in JUDAS PRIEST von der Band geschätzt wurde, wurde nun von seinen Bandkollegen als musikalische Einschränkung wahrgenommen. Daher wurde der arme Kerl kaum in die Aufnahmen integriert und vieles Kollege Drum Computer überlassen. Dadurch klingen die Drums teils sehr künstlich.
Zunächst wurden die übriggebliebenen „Twin Turbos“-Songs aufgenommen. Mitten in den Aufnahmen traf Bandmanager Bill Curbishley ein und eröffnete der Band die Möglichkeit, einen Beitrag zum Filmsoundtrack zu „Johnny Be Good“ zu leisten. Nach einer Diskussion sprachen sich JUDAS PRIEST dafür aus und entschieden sich für ein Cover von Chuck Berrys Klassiker „Johnny B. Goode“, das aber auch auf „Ram It Down“ landen sollte. Der Film floppte letztendlich.
JUDAS PRIEST wagen erneut das Sakrileg
Weiter kam die Idee auf, mit dem in den Achtzigern erfolgreichen Pop-Produzententrio Stock, Aitken und Waterman (u. a. Kylie Minogue, BANANARAMA) zusammenzuarbeiten. Sakrileg! Nachdem ein Großteil der Aufnahmen und des Mixes abgeschlossen war, ließen sich JUDAS PRIEST trotz der Erfahrung mit „Turbo“ auf das Experiment ein, flogen nach Paris und nahmen drei Demosongs auf. Das THE STYLISTICS Cover „You Are Everything“ sowie die von den Produzenten an einem Mittag geschriebenen „I Will Return“ und „Runaround“. Das Resultat war poppig, schnulzig. Die Band war zunächst positiv überrascht, dass sie zu solcher Musik fähig waren. Glücklicherweise besannen sie sich aber wieder und verzichteten auf den vermeintlichen Erfolg einer Single-Veröffentlichung. Das war doch zu weit von allem entfernt, wofür JUDAS PRIEST steht.
„Ram It Down“ bietet von allem etwas
„Ram It Down“ ist einerseits Bindeglied zwischen dem kommerziellen „Turbo“ und dem furiosen Überalbum „Painkiller“, das in seiner Perfektion alles überstrahlt. Andererseits besinnen sich JUDAS PRIEST auf ihre Wurzeln und beschreiten gleichzeitig wieder neue Wege.
Dass es wieder kerniger zugeht, unterstreicht gleich das passende Cover mit der kraftvollen Faust, die auf die Erde hämmert. Zum ersten Mal arbeitete die Band mit Illustrator Mark Wilkinson, der noch weitere Alben optisch veredeln soll.
Ein schneidend hoher, ins Mark gehender Schrei eröffnet den treibenden, energischen wie düsteren Titelsong. Drückende Riffs, wuchtige Rhythmen, episches Gitarrenduell, spitze Schreie, Mitsing-Refrain, die Hymne bietet alles. Die Band ist in Topform, allen voran Halford. Einer der besten Songs der britischen Edelschmiede vermeldet lautstark – JUDAS PRIEST sind wieder zurück! Stärker, härter und voller Energie. „Ram It Down“ ist nicht nur ein brutaler Schlag, es ist ein Versprechen, und sie liefern. „Heavy Metal“, eine klassische Ode an unser aller Lieblingsgenre, eröffnet von einem starken Solo, die JUDAS PRIEST hier am Fließband liefern. Robs permanent hohe Kopfstimme, feine eingängige Hooklines, stark! „Love Zone“ im Midtempo bietet auch wieder starke Riffs und Leads und die unnachahmlichen Screams von Rob.
Das hohe Niveau können JUDAS PRIEST nicht ganz halten. „Come And Get It“ tönt lahm und angestaubt. Doch wenn man denkt, die Luft wäre raus, knallt einem schon das passend betitelte, kraftvolle „Hard As Iron“ entgegen. Hier gibt es wieder ordentlich Speed mit wilden Riffs und treibenden Beats mit massiven Double Bass. Was für ein Biest!
Aber es wird noch besser. Das sich gemächlich steigernde „Blood Red Skies“ ist ein episches Meisterwerk, das Endzeitatmosphäre versprüht. Post-apokalyptisch, hochdramatisch, hochemotional. Halford liefert eine seiner besten Gesangsleistungen aller Zeiten, eindringliche Synthesizer-Melodien und Riffs sowie synthetisch kalte Beats machen den finsteren Song zu einem schwarzen, atmosphärisch dichten Diamanten, der Gänsehaut garantiert. Und das jedes Mal. Eines der besten Stücke, die JUDAS PRIEST jemals geschrieben haben. Nach dem Übersong fällt die positive 80er-Rockerhymne „I’m A Rocker“ wieder ab, ist aber zumindest gutklassig. Das bereits erwähnte „Johnny B. Goode“, das Chuck Berry Cover, für sich genommen eine coole, härtetechnisch aufgepeppte Version, wirkt allerdings im Albumkontext wie ein Fremdkörper.
Mit „Love You To Death“ hat sich ein recht flacher Filler auf „Ram It Down“ geschlichen, der stilistisch besser auf „Turbo“ gepasst hätte. Dafür ist das Ende grandios. Die epische Hymne „Monsters Of Rock“ trägt das Erbe von BLACK SABBATH in sich, das eben auch Teil der DNA von JUDAS PRIEST ist. Doomig schleppend, bedrohlich dunkle Atmosphäre, extrem heavy, ein Riff-Monster mit viel Hall und ein würdiger Abschluss.
Ein Album, das wieder mehr Lust auf Heavy Metal der Marke JUDAS PRIEST macht
„Ram It Down“ bietet experimentelle Ausflüge, wirkt im Gesamten aber wieder mehr nach dem Heavy Metal, wie man ihn von den Metal-Urvätern erwartet, und noch mehr. Insbesondere die technischen Fähigkeiten des unnachahmlichen Gitarrenduos Tipton und Downing stehen wieder stärker im Fokus, was in fantastischen hochmelodischen Duellen gipfelt. Halford ist auch wieder dort, wo er hingehört, und bietet voller Leidenschaft eine der besten Gesangsperformances seiner Karriere. In allem steckt wieder mehr Energie. Das Album macht wieder richtig Laune auf Metal der Marke JUDAS PRIEST, die sich zumindest teilweise wieder stärker auf ihre Wurzeln besinnen.
Ein unterschätzter Klassiker und der Wegbereiter zu Höchstem
In der allgemeinen Wahrnehmung geht „Ram It Down“ etwas unter und wird gerne unterschätzt. Der Klassiker bietet allerdings zuhauf Songperlen und ist damit auch ein starker Abschluss der 80er für die britische Edelschmiede. Gleichzeitig ist das Werk auch ein Wegbereiter, der JUDAS PRIEST in Folge zu Höchstem führt. Denn der verständlicherweise gefrustete Dave Holland steigt nach der anschließenden Tour aus und macht damit Platz für Scott Travis. Der neue Schlagzeuger legt in Folge mehr als nur eine Schippe in Sachen Geschwindigkeit als auch Vielseitigkeit oben drauf und verhilft auch damit den wieder hungrigen Priestern zum Meilenstein und perfekten Referenz-Album namens „Painkiller“.
Judas Priest - Ram It Down
Band | |
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Wertung | |
User-Wertung | |
Stile | Epic Metal, Heavy Metal, NWoBHM, Power Metal, Speed Metal |
Anzahl Songs | 10 |
Spieldauer | 49:32 |
Release | 13.05.1988 |
Label | Columbia Records |
Trackliste | Ram It Down – 4:48 Heavy Metal – 4:58 Love Zone – 3:58 Come and Get It – 4:06 Hard as Iron – 4:08 Blood Red Skies – 7:51 I’m a Rocker – 3:58 Johnny B. Goode – 4:38 Love You to Death – 4:36 Monsters of Rock – 5:32 |