Jucifer - If Thine Enemy Hunger

Review

JUCIFER will beim ersten Hören so gar nicht in das Relapse-Programm passen. Das US-Label begeistert mich seit Jahren mit ungewöhnlicher Musik, meist im Extrem-Metal-Bereich anzusiedeln, fast immer außergewöhnliche und einzigartige Bands. Von daher passen JUCIFER schon, sie passen nun aber gar nicht in die Krach-Ecke.
Das Duo aus Georgia leben und touren seit Jahren zusammen durch die Staaten und zeigen auf „If Thine Enemy Hunger“ 15 zeitlos schöne Songs, die in keine Schublade passen wollen.

Irgendwo zwischen Schrammelrock der Sorte WHITE STRIPES, psychedelischem Rock der Sorte SONIC YOUTH, einer Prise MELVINS auf Doom, garniert mit einer gehörigen Portion PJ HARVEY. Gerade der Gesang bekräftigt den letztgenannten Vergleich, der Fokus der Platte (und des Hörers) liegt ganz klar auf der atemberaubenden Stimme von Amber Valentine. Diese wirkt anfangs etwas unmotiviert und dünn, nach mehreren Durchläufen offenbart sich ihre Schönheit. Ich persönlich habe zwar in dieser Musikrichtung nicht sonderlich viele Vergleichsmöglichkeiten, aber ich kenne keine Sängerin, die ihre Stimme derart variabel einsetzt.
Verträumt, gefühlsvoll und verzweifelt kämpft Amber gegen die monolithischen Gitarrenwände und die pfundig produzierten Drums an.
Von Durchlauf zu Durchlauf gewöhnte ich mich mehr an diese ungewöhnliche Rollenverteilung der Instrumente: Die Gitarre schrammelt vor sich hin, Melodien sind selten zu erhören. Die Stimme ist hier vollwertiges Instrument und übernimmt fast vollends die Melodieführung, teilweise ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig, aber immer zielgerichtet und atemberaubend. Die Drums sind äußerst wuchtig und unterstreichen die eher minimalistisch wirkende Begleitung von Ambers Stimme, der Bass besitzt die geringste Wirkung. Anfangs war ich irritiert, mittlerweile bin ich so weit: Diese Stimme ist einfach zum Verlieben!

In den 15 Songs finden sich kaum Durchhänger wie etwa „Luchamos“ oder „In A Family Way“, sondern haufenweise Hits mit Weltklasse-Gesangsmelodien, vielseitig und faszinierend vorgetragen: Im überlangen Opener entwickelt die zarte Stimme im Gegenspiel zu den doomigen Gitarren eine fast schon hypnotische Wirkung, in „Centralia“ droht sie zu zerbrechen, um in „Antietam“ erstmals Fahrt aufzunehmen und sich dann letztendlich in einem poppigen Ohrwurmrefrain zu entladen. Diese Melodien verfolgen einen auf Schritt und Tritt, setzten sich unbarmherzig in den Gehirnwindungen fest und verbannen nerviges Chartsgedudel in die Ewigkeit. „My Benefactor“ ist so ein Ohrwurm, zeitlos und schön, als weitere Belege seien „Hennin Hardine“ und „Four Suns“ genannt.
Doch es geht auch rockiger wie etwa „Pointus Of Palia“ beweist, Effekte wie in „Backslider“ erweitern das vokale Spektrum, gerne benutzt werden auch Dopplungen, um der Stimme zu mehr Durchschlagskraft gegenüber der Gitarre zu verhelfen.
Zu sonorem Gesang und ruhiger Begleitung klingt die CD dann sehr beschaulich und leise aus, fast so, als wolle man den Hörer direkt ins Bett singen.
Unterm Strich ist „If Thine Enemy Hunger“ eine zeitlos schöne Songwriter-Rock-Scheibe, einzigartig, eigenständig und durch Ambers Stimme einfach nur traumhaft schön.
Scheuklappenfreie Fans von schöner Musik und einer noch schöneren Stimme sollten hier unbedingt reinhören!

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12.11.2006

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