Journey - Live in Concert at Lollapalooza

Review

JOURNEY waren schon seit 2013 nicht mehr in Deutschland, als sie das kurzlebige „HiRock“-Festival auf der Freilichtbühne Lorely geheadlinet haben. Da für die Tour mit TOTO im nächsten Jahr bislang nur Konzerte in Nordamerika angekündigt sind, gibt es wenig Hoffnung, dass die Gruppe sich wieder über den großen Teich wagt. Glücklicherweise nimmt der Ausstoß an Live-Dokumenten zu. Nachdem vor drei Jahren mit „Escape & Frontiers“ das Zeugnis der nahezu kompletten Aufführung der beiden Kultalben erschienen ist, liegt mit dem bezeichnenden „Live in Concert at Lollapalooza“ schon das nächste Livealbum vor, das bei einer nicht minder bedeutenden Gelegenheit entstand.

Einstände und Abschiede

Auf dem Lollapalooza haben sie die wichtigste Nebenbühne geheadlinet. Aber auch in personeller Hinsicht war dieser Auftritt nennenswert, insbesondere für die beiden (!) Drummer. So war es der erste reguläre Auftritt von Drummer Deen Castronnovo nach seinem Wiedereinstieg, da er zuvor 2015 nach einem Gefängnisaufenthalt aufgrund häuslicher Gewalt entlassen wurde. Für Narada Michael Walden ein Zeugnis seiner kurzen Mitgliedschaft, nachdem er wegen eines leichten Herzinfarkt nicht mehr Teil der Gruppe ist. Außerdem handelt es sich um einen der wenigen Auftritte, die THE DEAD DAISIES-Bassist Marco Mendoza als Aushilfe bestritten hat.

All diese Begleiterscheinungen sind bei dem Auftritt nicht spürbar. Die Band präsentiert sich eingespielt und angespornt von dem großen Publikum, welches auf die Band dank der konventionellen Setlist stark anspringt. Diese besteht nur aus Liedern aus der klassischen Phase mit Steve Perry, wobei die Lieder von „Escape“ ein Drittel des Sets ausmachen. Da die Gruppe auf längere Ansagen verzichtet, kann sie so mühelos den Spannungsbogen aufrecht erhalten.

Mehr als Smashhits

Im Verlauf des Konzerts kommt neben den AOR-Hymnen und den Balladen die bluesige Seite der Band zum Vorschein: Nicht nur dank Songs wie „Lovin‘, Touchin‘, Squeezin'“, sondern vor allem dank der ausgedehnten Soli, nicht nur von Neal Schon, wobei sein Stil eher hastig ist. Den Höhepunkt findet das Gedudel in „La Do Da“, welches in einem Instrumentalistenbattle gipfelt.

Das liegt nicht zuletzt an den herausragenden Einzelmusikern: Sänger Arnel Pineda bringt nach fast 15 Jahren Mitgliedschaft noch immer eine beeindruckende Performance auf die Bühne. Auch die beiden Urgesteine brillieren auf die Bühne. So darf Neal Schon in vielen Solospots seine Fingerfertigkeiten demonstrieren und Jonathan Cain scheint seine Grimmigkeit beim Hometowngig abzulegen. Aus dem Vorteil, zwei Drummer zu haben, macht die Band nichts, da beide das gleiche spielen.

Zu viel Nähe

Der Film besteht ausschließlich aus Nahaufnahmen der Musiker, so sieht man von den Zuschauern nicht viel und könnte sonst auch leicht auf die Idee kommen, dass das Konzert in einem Amphitheater stattfinden könnte. Die naheliegende Vermutung ist, dass der Entschluss zur Veröffentlichung des Auftritts erst im Nachhinein getätigt wurde, so dass nur der Rückgriff auf das Material vom Festival selbst möglich war, welches auf den großen Leinwänden gezeigt wurde. Da dieses Konzert gleichzeitig beim Streamingdienst Hulu gezeigt wurde, der sich von den Übertragungen anscheinend viel verspricht, wirkt es verwunderlich, dass kein Produktionsstandard wie etwa beim Wacken Open Air realisiert wurde.

So macht es im Fall von „Live in Concert at Lollapalooza“ wohl eher Sinn, zur CD zu fassen, die mit einem luftigen und ausgeglichenen Sound beeindrucken kann. Hörenswert ist der Auftritt allemal. Denn JOURNEY zeigen mit der Wucht ihrer Klassiker und ihrer umwerfenden Musikalität, dass sie problemlos das obere Ende des Festivalplakats ausfüllen können, nicht zuletzt dank des Popularitätsschubs, den die AOR-Pioniere in den letzten zehn Jahren bekamen. Hoffentlich beweisen sie das bald wieder in Europa.

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31.12.2022

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