Jordan Rudess - Permission To Fly

Review

Jetzt schau sich doch einer nur mal dieses ultrahässliche Cover an, das irgendwo in den Frühzweitausendern hängen geblieben ist – da hätte nur noch ein Foto des Protagonisten gefehlt, dem diese Klaviertastenflügel aus dem Rücken sprießen. Hier hat der Illustrator in einem lichten Moment zum Glück rechtzeitig die Bremse gezogen. Doch auch so kann das nur absolut angeberischer, selbstbeweihräuchernder und masturbativer Klimper- und Nudel-Prog der übelsten Sorte sein, bei dem ein versierter Flitzefinger – hier Jordan Rudess – so ziemlich jeden freien Takt zu dudelt, bis selbst der geneigten Hörerschaft Hören und Sehen vergeht. „Permission To Fly“ vergeigt also schon einmal den Ersteindruck.

Gar nicht mal so viel vordergründiges Genudel …

Wer jedoch den Mut aufbringt, um hinter diese geschmacklose Fassade zu blicken bzw. zu hören, entdeckt ein überraschend temperiertes Werk, bei dem sich Rudess ausgesprochen songorientiert zeigt. Natürlich gibt es ausschweifende Keyboard-Soli zu hören – ein solches begegnet der Hörerschaft direkt im eröffnenden „The Final Threshold“, doch der Track öffnet sich relativ zügig für seinen theatralischen, deutlich poppigeren Abschnitt. Außerdem ist es kein reines Soloalbum wie zuletzt etwa „Wired For Madness“, auch wenn es seinen Namen trägt. Rudess arbeitete nämlich mit einer Kernband zusammen, die aus Darby Todd (u. a. Devin Townsend), Steve Dadaian sowie Sänger That Joe Payne (das „That“ gehört scheinbar zu dessen Künstlernamen) besteht.

Überhaupt steckt hier weniger DREAM THEATER drin, als man denken würde. Vermutlich kann man das Album irgendwo in die Nähe von Neal Morse oder Roine Stolt verorten, nur mit deutlich mehr AOR-Flair. Das kann durchaus fruchten. Denn wenn ebendieser dem Prog untergeordnet ist und nicht umgekehrt, dann kann durchaus große Klangkunst entstehen, siehe MOON SAFARI. Und That Joey Payne zeigt dafür durchaus Potential durch seine raumfüllende und arenataugliche Stimme, vor allem wenn er mit sich selbst multipliziert wird wie in „Into The Lair“ oder „The Alchemist“ – die frühen ASIA lassen herzlich grüßen.

… denn Jordan Rudess stellt den Song in den Vordergrund

Wenn Rudess also nicht gerade am Keyboard nudelt zaubert, kommt ein gerüttelt Maß an AOR-Flair zum Tragen, was sich wunderbar mit den Prog-Sensibilitäten paart und „Permission To Fly“ mehr in Richtung Retro-Prog rückt. Teilweise muss man sich bewusst in Erinnerung rufen, dass man hier ein Album von Jordan Rudess hört und nicht eines aus dem Morse’schen Umfeld. Die Gesangslinien sind durchgehend geschmackvoll inszeniert, neigen aber zugegeben manchmal auch zum selbstgefälligen Mäandrieren. Dann fällt es etwas schwer, eine Hook von einer „normalen“ Gesangslinie zu unterscheiden wie in „Haunted Reverie“, da That Joe Payne in solchen Passagen in der gleichen, wenn auch angenehm souligen Gesangslage verweilt.

Aber nach dem herausfordernden „Wired For Madness“ hat Jordan Rudess mit „Permission To Fly“ ein deutlich eingängigeres Album inszeniert. Man muss sich eben ein bisschen damit abfinden können, dass nach der Reizüberflutung des Vorgängers hier gelegentlich das gegenteilige Problem auftaucht, dass „Permission To Fly“ etwas an echter Aufregung missen lässt. „Shadow Of The Moon“ schrammt zum Beispiel teilweise knapp daran vorbei, eine langweilige Ballade zu sein, rettet sich aber wieder mit einem raumfüllenden, geradezu sakralen Refrain vor der Skip-Taste. „Permission To Fly“ ist also einen Hör hinter die Fassade wert. Zumindest wenn man Alben aus dem Traumtheater-Umfeld nicht von vorn herein ablehnt. Aber eigentlich sollte man dem Album gerade dann ein Ohr leihen, denn es könnte sich lohnen.

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30.08.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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