Wenn man Jonathan Davis als vordersten Repräsentant der Band KORN vor Augen hat, fällt es schwer, ihn sich gleichzeitig als einen ernsthaften Musiker vorzustellen. Als einen von der Sorte, die fleißig mit den Kollegen Songs probt, sich über neues Equipment informiert, oder auf Konzerten neue Kontakte knüpft. Bereits die Tatsache, dass er 2002 für einen großen Teil des „Queen Of The Damned“-Soundtracks verantwortlich war, hätte aber zu denken geben müssen. Aus rechtlichen Gründen hatte er damals seine Lieder nicht selbst einsingen dürfen, und musste den Song „Careless“ sogar komplett vom Album nehmen. Fünf Jahre später erschien der Song dann als erste Single seines frisch gegründeten Soloprojektes. Und letzteres mündete 2011 schließlich in genau der Liveaufzeichnung, die nun schon seit mehreren Tagen in meinem CD- und DVD-Player rotiert.
Und obwohl Davis recht provokant die komplette Spielzeit auf einem Holzthron zwischen den Instrumentalisten sitzen bleibt, und sich seine Ansagen meist auf dem Niveau von „you are some badass motherfuckers“ bewegen, ist diesmal seine Reputation als Musiker, sowie der künstlerische Anspruch, den er mit seinem Werk verbindet, allgegenwärtig. Das Projekt JONATHAN DAVIS AND THE SFA wirkt wie eine stimmigere Umsetzung des „Korn Unplugged“ Konzeptes, mit fantastischer instrumentaler Virtuosität, einer anspruchsvoll groovenden Rhythmusfraktion inklusive Kontrabass, sowie punktuell eingesetzter Härte. Gleichzeitig sind die Lieder recht unbekannt. Mal entstammen sie, wie der Opener „System“ oder das starke „Forsaken“ dem „Queen Of The Damned“-Soundtrack, haben sich bisher unscheinbar auf KORN-Alben versteckt, oder wurden extra aus Archiven gekramt, wie das funkige „Kick The P.A.“ aus dem Spawn-Soundtrack. Immer jedoch ist die groovig-mystische Neubearbeitung so stimmig, dass die Nummern auch Kenner der Originale noch Spaß machen können. Ich gehe sogar so weit, dass die obligatorische Version des eigentlich schon ausgehörten „Falling Away From Me“ auf dieser Platte eine der besten ist, die ich je gehört habe.
Solche Komplimente hätte die Platte aber auch mehr vertragen können. Eigentlich möchte ich gar nicht so sehr an „Alone I Play“ herumnörgeln. Das ganze Konzept ist als „Schmuckkästchen“ angelegt, das unauffällige Songs zu kleinen Juwelen aufbereitet und in einem stimmigen Umfeld aneinanderreiht. Und als solches hat es mich großartig unterhalten. Gleichzeitig fällt aber auf, dass das ursprüngliche Liedmaterial nicht das Beste aus der Feder von Jonathan Davis ist, und Songs wie „4U“ oder „Hey Daddy“ immer schon von mir ignoriert wurden. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was man alles aus Nummern wie „Wake Up Hate“ oder „Let’s Do This Now“ noch hätte rausholen können. Auf eine einsame Insel würde ich die CD / DVD damit nicht mitnehmen, aber als KORN-Fan hat sie mir mehr Spaß gemacht, als sämtliche Alben nach 2005, inklusive dem eigentlich okayen Unpluggedprojekt.
Folgendes muss zum Paket noch gesagt werden: Das, was Davis hier als umfangreiches Paket veröffentlicht, ist in Amerika nicht neu. Dort gab es bereits 2007 eine limitierte Live CD / DVD mit Namen „Alone I Play“, die sich bei Fans großer Beliebtheit erfreute. Streng genommen handelt es sich bei diesem neuen Konzertmitschnitt in London also nur um einen Aufguss mit verkürzter Setlist, auf dem sich keinerlei neue Songs befinden, geschweige denn selbstgeschriebene vom kommenden Studioalbum. Uns Europäern kann das aber egal sein: Für uns ist es die erste abendfüllende Veröffentlichung des Projektes.
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