Jon Lord - Jon Lord With Pictures

Review

Man muss schon ein ganz besonderer Liebhaber sein, um an einer Veröffentlichung wie „Jon Lord With Pictures“ Gefallen zu finden. In einer derart schnelllebigen Zeit findet kaum noch ein Mensch die Muße, eine zweistündige Dokumentation in aller Ruhe anzuschauen oder sich gar durch einen genauso langen Bonusteil mit Fotogalerien, Backstagematerial, Radiointerviews und dergleichen zu ackern. Wer das tut, schaut auch alle drei „Herr der Ringe“-Filme in der extended edition am Stück oder hört DEEP PURPLEs „Machine Head“ noch auf LP. Wer tut so etwas?

Leute mit Geschmack natürlich. Leute, die die Geschichte der Hammond-Orgel-Legende Jon Lord über DEEP PURPLE, PAICE ASHTON LORD und WHITESNAKE bis hin zu seiner Solokarriere hin verfolgt haben vielleicht. Letzterer ist diese 2003 entstandene (und 2011 mit den Geschehnissen der letzten Jahre aktualisierte) Dokumentation maßgeblich gewidmet. Damit ist auch klar: Hard Rock is‘ hier nich‘. Vielmehr wird Jon Lord, der sich durchgehend als außerordentlich höflicher, gemessener und bescheidener Mensch zeigt, in seiner Liebe zur Verbindung von Klassik und Rock wahrgenommen und portraitiert. Die Dokumentation, die während der ersten Solotour entstanden ist, enthält einen Rückblick auf die Wiederaufführung von DEEP PURPLEs „Concerto for Group and Orchestra“, den Ausstieg aus DEEP PURPLE, einen Auftritt mit der regionalen Bluesband THE HOOCHIE COOCHIE MEN und vor allem Jons umfangreiche Orchester- und Pianoarbeiten. Wir verfolgen die Entstehung dieser ambitionierten Projekte in Ausschnitten von der ersten Idee über die Proben bis hin zur Aufführung.

Künstlerisch ist dieser Film in jeder Hinsicht intim zu nennen – die Interviewpassagen mit Jon sind durchgehend persönlich, intelligent und tiefgehend, aber auch stets unterhaltsam und von derselben Überlegtheit, die auch seine Musik seit Beginn seiner Karriere gekennzeichnet hat. Der feine britische Humor ist dabei genauso wohltuend wie das zu keiner Zeit selbstgefällige Auftreten aller Beteiligten. Kameraführung, Montage, Ton und alle anderen Komponenten des Films sind angenehm weich und in warmen Tönen gehalten und übertreffen damit den Qualitätsstandard vergleichbarer DVDs um Längen. Dasselbe lässt sich für das großartige, umfangreiche Booklet sagen, das eigentlich – abgesehen von einer persönlichen Biographie – keine Information über den Künstler Jon Lord auslässt.

„Jon Lord With Pictures“ erfüllt den Anspruch, kurzweilige Abendunterhaltung zu einem Bierchen mit Freunden zu sein, natürlich nicht. Dafür ist es ein schönes, rundes Portrait des späten Jon Lord, von dem man nur hoffen kann, dass es die Macher auch in fünf oder zehn Jahren noch updaten können. Denn, das ist das Bittere, das man in dieser Dokumentation nicht erfährt: Jon Lord ist seit August aus dem öffentlichen Leben verschwunden, weil er an Krebs leidet. Wir alle wollen einen Moment wie im Mai 2010 nicht noch einmal erleben. Deswegen: Gute Besserung von metal.de und vielen Dank für diese hübsche DVD.

23.11.2011

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