Danke, manchmal gehen heimliche Wünsche eben doch in Erfüllung. Nach meiner ersten Begegnung mit Jolly vor fast zwei Jahren wünschte ich mir, dass die Jungs möglichst bald den verdienten Durchbruch schaffen. Nachdem ihr Debüt „Forty-Six Minutes, Twelve Seconds Of Music“ innerhalb kürzester Zeit Kultstatus erreichte, erscheint nun dieser Tage der Nachfolger – auf InsideOut Music, dem wohl prädestiniertesten Label für progressive, märchenhafte, verträumte, opulente und atmosphärische Gitarrenklänge. Genau das richtige also für JOLLY, genau das richtige für ein Album dieses Schlages.
Das Debüt verdankt seinen Kultstatus nicht von ungefähr dem eigensinnigen Ritt durch Alternative und Progressive Rock, mit Eckpfeilern wie TOOL und DREAM THEATER. Die ganz eigene Note, mit der JOLLY schon damals glänzen konnten, sie wurde noch verstärkt, verfeinert, verbessert. Es ist nach wie vor eine seltene und deshalb mehr als respektable Leistung, wenn es einer Band in so kurzer Zeit gelingt, einen ganz individuellen Stil zu entwerfen. Bei JOLLY sind das pittoreske Klanglandschaften, die bisweilen eine fast märchenhafte Atmosphäre ausstrahlen, detailliert und nahezu mikroskopisch genau arrangiert.
Dem Zufall überlassen sie nichts. Auf dem Debüt experimentierten sie mit binauralen Tönen, um das Kopfhörererlebnis noch intensiver zu machen. Dieses Experiment wird fortgesetzt in Form eines Konzeptes, welches uns als Hörer wahre Glücksgefühle verschaffen soll. Kein esoterisches Geschwurbel, keine psychoakustischen Tricksereien, kein musiktheoretischer Masterplan – JOLLY schreiben vor allem echte, emotionale Songs, die das Adrenalin hochpeitschen und Endorphine en masse freisetzen können. Jeder Song eine kleine Erlebniswelt, die einen nicht mehr so schnell loslässt.
Auffallend ist dabei die Energie, mit der JOLLY zu Werke gehen. Die Gewichtung hat sich offensichtlich etwas verschoben: Die Keyboardflächen treten etwas zurück, sind manchmal subtiler aber immer goldrichtig, während die Gitarren mit klarer Kante zu Wort kommen. „Ends Where It Stars“ überrascht zunächst mit dieser neuen, klaren Ausrichtung, doch schon bald entfaltet sich das volle JOLLY-Klangspektrum in einem Song, der seinem Titel vollends gerecht wird: „Joy“. Kunstvolle Federstriche auf dem Notenblatt, verzaubernde Melodiebögen, harmonische Wendungen, das facettenreiche Agieren der Saiteninstrumente, versiertes Schlagzeugspiel, Piano… wenn man dachte, dass JOLLY mit einem Song wie „Renfaire“ fast alles gesagt hätten, muss man vor Freude erkennen, wieviel mehr in dieser Band steckt. Wer so gekonnt mit Dreivierteltakt-Rhythmen hantiert, der scheut auch nicht das Spiel mit Blues und Jazz („Pretty Darlin'“).
Und dann ein Song namens „The Pattern“. Eine Wucht. Ein minutenlanger Blitz, ein Feuerwerk im Kopf. Die Arpeggios auf Bass und Gitarre, der Breitwand-Refrain und dann dieser orgiastische Mittelteil mit polyrhythmischen Riffs, die man in dieser Härte bisher nicht von ihnen vernommen hatte. Nicht mal die Hälfte ist rum und schon wird dieses Teil zum Hit, einfach nicht zu fassen! Zum Niederknien, zum immer-wieder-anhören.
Einen ähnlichen Moment hat auch „Still A Dream“ zu bieten, nun auch wesentlich gitarrenlastiger im Sound als das eigentliche Original. Doch es bleibt stets ausgeglichen, „Radiae“ besticht durch seine akustische Note, „Storytime“ glänzt durch seinen ausgesprochen ausgeglichenen Charakter und „Where Everything’s Perfect“ ist so reich an Details, dass man selbst nach dem einem dutzend Durchläufen immer noch Neues darin entdecken kann. Das donnernde Grollen des Chorus, das Rhodes-Motiv, elektronische Feinheiten – JOLLY haben in keiner Minute mit kreativen Ressourcen gespart. Über die gesamte Spielzeit legen JOLLY mit derartiger Raffinesse nach, dass uns das opulente „Dorothy’s Lament“ mit einem mächtigen Hungergefühl in die Pause entlässt. Hier endet der erste Teil, und man wird es kaum erwarten können, auch den zweiten ins Ohr zu bekommen. JOLLY haben in 45 Minuten soviel zu erzählen, dass man sich das Album wieder und wieder anhören muss, um wirklich alles zu erfassen. Was heißt ‚muss‘ – man WILL!
Also, kurzes Fazit: Ohren aufgespannt für die erste echte Rockplatte des Jahres – wer bisher nichts von JOLLY gehört hat, sollte nun schleunigst damit beginnen! JOLLY lieben euch, und ihr werdet JOLLY lieben!
Von dem Hokuspokus abgesehen, der mich anfangs abgeschreckt hat, in das Album reinzuhören, hat die Scheibe tatsächlich ein paar sehr interessante Songs zu bieten. Kann sein, dass sich die Punktzahl im Laufe der zeit noch erhöht, aber ich wills zuächst mal nicht übrtreiben.
In Teilen fühle ich mich ein wenig an eine positivere Version von Audrey Horne erinnert.