Johnny Winter - Rockpalast - Blues Rock Legends Vol. 3

Review

Wenn man an „Rockpalast“ denkt und sich fragt, wo diese ganzen Konzerte herkommen, die nun plötzlich auf DVD veröffentlicht werden, darf man nicht an das klapprige Format denken, mit dem der WDR gegenwärtig nachts seine Sendezeit zu füllen versucht. Denn haben die Konzertmitschnitte heute eine eher untergeordnete Bedeutung – obwohl sie mitunter auch mal ein paar Metalbands präsentieren – waren es damals in den 70ern und frühen 80ern feste Institutionen gewesen. In Zeiten von Volksmusikfrühlingsfesten und endlosen Familiensendungen zur besten Sendezeit kann man es sich kaum noch vorstellen, dass die ARD damals stundelange Bluesnächte zur besten Sendezeit nach ganz Europa übertrug. Und das mit einer gewissen Narrenfreiheit: Man sagt sich nämlich, dass JOHNNY WINTER, der Headliner der vierten Rockpalast-Nacht ursprünglich nur 80 Minuten spielen sollte, er jedoch kurz davor nach einer Erweiterung auf zwei Stunden anfragte und damit durchkam. Mehr Kult kann es gar nicht geben.

Und so bekommen Fans des weißhaarigen Bluesgitarristen nun endlich das Konzert auf DVD nachgereicht, welches sie zuvor aufwendig youtuben mussten. „Rockpalast – Blues Rock Legends Vol. 3“ beinhaltet die komplette Spielzeit und beschert Puristen genau die Bild- und Tonqualität, die damals in den 70ern üblich gewesen war. Statt mehrere Kameratürmen gibt es also nur einige wenige Einstellungen, und statt einer HD-Qualität schlierenziehende Bilder mit matschigen Kontrasten. Für SLIPKNOT oder STEVE VAI wäre das ein Todesurteil: In Bezug auf dieses Konzert wirkt es recht passend. Wer den minimalistischen Blues von JOHNNY WINTER mag, wird auch mit dem charmanten Retro-Flair zurecht kommen.  
„Minimalistisch“ schreibe ich deshalb, weil die Musik des Texaners aufgrund der reduzierten Instrumentierung (Schlagzeug, Gitarre, Bass, eher selten Gesang und Mundharmonika) und den einfachen Songstrukturen samt ellenlanger Soli auch genausogut in die Rockkneipe von nebenan gepasst hätte, wie in die damals ausverkaufte Essener Grugahalle. warum es sich trotzdem lohnt, das auf Band haben zu wollen, ist also für Außenstehende gar nicht so leicht zu erklären. Sowohl die große technische Versiertheit des Gitarristen, als auch viele melodie- und atmosphärelastige Passagen können aber als Ansatzpunkte herhalten. Wer AXEL RUDI PELL live mag, wird JOHNNY WINTER lieben.

Und insofern ist es gut, dass auch das kultige, erste Rockpalast-Konzert von ihm – ein zweites sollte 2007 folgen – auf DVD erscheint. Als Musiker ist er zwar immer noch aktiv, aufgrund seines hohen Alters von 67 halten sich Auftritte in Europa aber mittlerweile in Grenzen. Da verzeihe ich der Live-Aufzeichnung auch die sehr pragmatische Ausstattung ohne Verbesserungen bei der Bildqualität und den Verzicht auf jegliches Bonusmaterial.

29.03.2011
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