Joe Perry - Have Guitar, Will Travel
Review
Es steht außer Frage, dass JOE PERRY mit AEROSMITH die (Hard-) Rockgeschichte entscheidend mit geprägt hat. Ebenfalls außer Frage steht, dass er als Gitarrist schon oft Geschmack und ein tolles Spielgefühl bewiesen hat. Als Solokünstler muss er sich jedoch stets aufs Neue beweisen, was zu einem gewissen Grad sicher der jeweils langen Zeit zwischen den Veröffentlichungen zuzuschreiben ist.
An manschen Stellen dieses Albums möchte man applaudieren, an den meisten anderen möchte man dem Protagonisten zurufen: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“. Manche Stücke klingen verkrampft auf modern getrimmt, und Meister PERRY versucht verzweifelt, mit seinem Trademark-Spiel dagegen anzukämpfen. Der leicht BILLY TALENT-artige, völlig verunglückte Opener „We’ve Got A Long Way To Go“ ist dafür das beste Beispiel. Wenn die Moderne nur eine untergeordnete Rolle spielt wie bei den elektronisch verfremdeten Slide-Gitarren in „Wooden Ships“, macht die Chose deutlich mehr Sinn.
Doch insgesamt verzettelt sich PERRY in einer zu großen stilistischen Bandbreite, lässt einen roten Faden völlig vermissen. Was noch schlimmer ist: kaum ein Song kann sich im Ohr festsetzen. „No Surprise“ ist stinklangweilig, und das mit Honky Tonk-Piano versetzte „Somebody’s Gonna Get (Their Head Kicked In Tonite)“ erinnert nicht nur fatal an EDDIE COCHRANs „Summertime Blues“ sondern ist insgesamt ein kapitaler Totalausfall. Das gleiche gilt für „Oh Lord (21 Grams)“, das in NICK CAVE-Manier daher kommt und einige derb schräge weibliche Backings aufbietet.
Am besten ist „Have Guitar, Will Travel“ immer dann, wenn PERRY in seinem ureigenen Revier wildert und wie in „Scare The Cat“ erdigen Bluesrock bietet. Ein weiteres Highlight ist die schöne Blues-Ballade „Do You Wonder“, die jedoch frappierend an AEROSMITH erinnert.
Das liegt sicher auch am Gesang des deutschen Sängers Hagen begründet, der bei fünf Songs die Leadvocals übernimmt und dabei überdeutlich an Steven Tyler erinnert. JOE selbst bringt ein wenig kontrollierten DOORS-Wahnsinn ein, was am besten in „Slingshot“ und dem Rausschmeißer „Freedom“ funktioniert.
Insgesamt fehlt es „Have Guitar, Will Travel“ an songwriterischer Qualität, an zwingenden Riffs und Hooks, einfach am gewissen Etwas. Dem Vergleich mit AEROSMITH-Großtaten hält das Album zu keiner Sekunde stand, und die Energie der jungen Helden hat PERRY auch nicht mehr. Das Prädikat lautet hier also leider: überflüssig.