Jimi Hendrix - First Rays Of The New Rising Sun

Review

Der Titel des als Hendrix-Album Nummer 4 geplanten „First Rays Of The New Rising Sun“ ist sehr metaphorisch zu sehen: 1969, nach nur drei Jahren auf dem Gipfel seiner künstlerischen Laufbahn angekommen, blickt der ruhelose und dauerinspirierte Jimi Hendrix um sich und stellt fest, dass er erreicht hat, was man als Musiker erreichen kann: er ist ein gefeierter Rockstar mit Auftritten auf dem Woodstock Festival und höchsten Chartplatzierungen, er hat jede finanzielle und künstlerische Eigenständigkeit erlangt, die nur denkbar ist. Danach kann nur noch eine Neuerfindung dieses visionären Künstlers folgen, und diese ersten 17 Strahlen einer neu aufgehenden Sonne enthält dieses posthum kompilierte Album.

Der Gitarrist experimentiert auf den hier veröffentlichten Songs hörbar mit mehrschichtigen Gitarren, funkigen Beats, Percussions und generell frischem Musikerblut (u.a. Bassist Billy Cox, der dem typischen Hendrix-Vibe eine erdige, bluesige Note verleiht). Neben Stücken, die eindeutig als EXPERIENCE-Songs durchgehen würden (das sehr schöne, balladeske „Angel“ oder das countryartige „Night Bird Flying“), überrascht Hendrix allerdings auch mit Kompositionen, die die blumigen, psychedelischen 70er-Jahre vorwegnehmen (ganz toll: „Hey Baby“). „Dolly Dagger“ oder „Izabella“ sind Musterbeispiele für verspielten Funkrock mit griffigen Hooks, „Ezy Rider“ offenkundig am Rock’n’Roll der 50er angelehnt, „My Friend“ ein verräuchter Bluesjam mit Freunden, der eigentlich gar nicht in den Fluss des Albums passt, und das Mainriff von „In From The Storm“ haben BLACK SABBATH zu ihrer Gründungszeit bestimmt auch gekannt.

Gerade zu Ende dieser Albumzusammenstellung hat man leider den Eindruck, dass der unbändige Willen zu Experimenten in alle Richtungen „First Rays…“ tatsächlich den Albumcharakter nimmt. Was auf „Electric Ladyland“ noch zusammengehörig klingt, wirkt jetzt vereinzelt wie ein Sich-Verlieren in Möglichkeiten, in bloßen Optionen, die alle richtig und sinnvoll scheinen, Hendrix aber in seinem kreativen Überfluss deutlich desorientiert zeigen. Diese Tendenz setzt sich auch in seinem Leben fort, wie sich später herausstellen sollte, und ist vielleicht der Grund, wieso dies hier mit die letzten Aufnahmen dieses großen Musikers sind.
Was „First Rays…“ dann doch zusammenhält, ist die einzigartige Art und Weise dieses Mannes, einer E-Gitarre die unwahrscheinlichsten Töne aller Nuancen zu entlocken. Das macht die Platte zu einem (allerdings wirklich so feinfühlig wie möglich zusammengestellten) Sammelsurium von Songs solider bis großartiger Qualität und verschiedenartiger Ausprägungen von Rock, aus dem man sich jukeboxlike herauspicken muss, was man an Hendrix mag. Es ist genug für alle da.

„First Rays Of The New Rising Sun“ erscheint im Digipak mit einer sehenswerten Bonus-DVD (Kurzdokumentation zur Entstehung des Albums) sowie einem umfangreichen, kommentierten Booklet mit exklusiven Fotos.

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21.04.2010

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