„Die Zukunft des Industrial“ schreiben sich JESUS ON EXTASY auf die Fahne, zumindest verkündet dies ihre Website. Nun ist Industrial an sich ein sehr weitläufiges Feld, reicht von experimentellem Gewaber bis zu ohrenbetäubenden Krachorgien, und irgendwo zwischen diesen extremen Polen finden wir z.B. so etwas wie Industrial Rock. Vermutlich meinen sie das, auch wenn ich die Zukunftsaussichten angesichts „Holy Beauty“ eher düster finde, aber ich erkläre mich:
Gleich beim ersten Titel, dem ich ohne Zweifel einige Hitqualitäten attestieren kann, kommen mir KMFDM in den Sinn, die man wohl ungelogen zu den Urvätern dieses Genres zählen muß. „Assassinate Me“ hat etwas von den neueren Krachern der Deutsch-Amerikaner, auch wenn der Song längst nicht so brachial aus den Boxen rumpelt, wie z.B. „WWIII“. Trotzdem: Ein packendes Riff, ein cooler Refrain, und der Beat mit ordentlich Groove – die Nummer funktioniert!
Der Extasy-Trip von Gottes Sohn scheint aber dennoch nicht ganz so krass zu sein, das zeigt schon das nachfolgende „Nuclear Bitch“. Erstaunlich electro/synth-poppig geht es weiter. Gerade das synthetisch klingende Schlagzeug mit der dominanten Bassdrum hat etwas von diesen frühen Dance-Rhythmen, die richtige Beschallung also für einen Club, in dem man nicht nur die Mähne kreisen lassen will, sondern auch die Hüften. Bei „Neochrome“ geht es dann erneut eher Richtung KMDFM, härtere Beats und vor allem energisches Riffing. Schade, dass die Gitarren nicht in jedem der Songs so heftig sind. Aber um durchschlagende Gewalt geht es dem Quartett eh nicht, der Mix aus Synth- und Electrosounds frönt eher alten Helden der Synth-Pop und Indie-Rock-Szene der 80er. Mehr als deutlich, als mit zwei Coverversionen, kann man das auch nicht zeigen. Da wäre zum einen das sehr gelungene „2nd Skin“ der britischen CHAMELEONS, einer dieser ewig unterschätzten Bands der 80er, die damals ein hinreißendes Debütalbum veröffentlicht haben. Zum anderen „Nowhere Girl“ der Synthie-Popper B-MOVIES, die ebenfalls sehr aufgepeppt wurde.
Leider ist „2nd Skin“ auch einer der wenigen Höhepunkte des Albums, welches außer „Neochrome“ und dem Opener keine wirklichen Kracher bieten kann. Es fängt stark an, lässt die Stimmung dann aber schnell absacken, da die Songs nicht wirklich mitreißen können. Wenn sie heftig zu Werke gehen, fehlt ihnen echte Industrial-Rock Härte, und wenn die Synths dominieren, dann fehlen die mitreißenden, großen Melodien. Die Amis von THE BIRTHDAY MASSACRE zeigen, wie sowas wunderbar funktionieren kann. Somit ist „Holy Beauty“ irgendwie ein nettes, tanzbares Album geworden, von dem man aufgrund der „Assassinate Me“ Vorschußlorbeeren irgendwie mehr erwartet hat. Der Song wurde übrigens von den alten Helden um Käpt’n Sascha remixed, wenn auch nicht weiter spektakulär.
Und genau das meinte ich eingangs mit der düsteren Zukunft, denn wenn sie so aussieht, greife ich doch lieber zu meinen alten Klassikern.
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