Kuopio, idyllisches Kleinod am Kallavesi und finnische Metalstadt per se: Anfang der Neunziger zudem Heimat von zahlreichen Nachwuchsmusikern, die sich ihre Inspirationen wahlweise bei Schneetreiben und Vollmond im nahegelegenen Forst geholt haben oder bei klirrender Eiseskälte auf dem Friedhof. Magic Mushrooms eingeworfen, dem Tod ins Antlitz blickend und fremde Planeten erkundend. Jahre später verbandeln sich einige dieser Nachwuchsmusiker mit der mysteriösen Jess, die bereits in jungen Jahren in einem schwarz ausgekleideten Holzverschlag hinter dem Wohnhaus ihrer Eltern einen Altar zu Ehren von Lucifer errichtete, Tarotkarten legte und sich ab und zu bei schwarzmagischen Ritualen… – was genau sich dort abspielte, dessen wurde niemand gewahr. Auch ihre neuen Mitstreiter nicht, selbst wenn sie ab und zu den dunklen Verschlag betreten und dem betörenden Gesang von Jess lauschen durften.
Geraume Zeit später steht das selbstbetitelte Debütalbum von JESS AND THE ANCIENT ONES in den Plattenläden, und darauf zelebriert die Band ziemlich formvollendet ihre Version von okkultem Rock und Metal im Stile der Siebziger und Achtziger. Keine Spur von Black, Death oder Nuclear Metal. Natürlich sind die Referenzen damit klar: COVEN, BLACK SABBATH und Dutzend andere aus der Vergangenheit, THE DEVIL’S BLOOD und BLOOD CEREMONY (mit denen sie im vergangenen Jahr tourten) aus der Jetztzeit. Und lyrisch gibt es das gesamte Spektrum zwischen Devil, Fire, Witchcraft und Crimson Death.
Klingt nicht gut? Ist es aber – denn genauso wie ihre Kollegen aus Kanada und den Niederlanden verstehen es JESS AND THE ANCIENT ONES, ihre Musik äußerst authentisch in Szene zu setzen. Keine Spur von Abnutzungserscheinungen, auch wenn die Band nicht mehr die erste ihrer Art ist. Sängerin Jess hat eine charismatische Stimme (selbst wenn sie ab und zu an ihre Grenzen stößt), und ihre Begleitband THE ANCIENT ONES besteht aus gestandenen Musikern, die ihren Part souverän und mit Esprit meistern. Einzig die Double-Leads klingen durch den analogen Sound manchmal etwas kratzig und erschließen sich nicht sofort („Twilight Witchcraft“), aber das hat durchaus seinen Charme. Und wenn JESS „Hear my prayer for death and fire“ singt, hat das sogar noch mehr Charme. Dann wird es magisch. In der Folge darf die Orgel wie bei BLOOD CEREMONY jubilieren, der Rickenbacker-Bass pumpen, und hier und dort gibt es sogar MAIDENeske Gitarren (wie im zwölfminütigen „Sulfur Giants“). Richtig gut ist aber der Schluss mit dem swingenden „The Devil (In G-minor)“ und dem fast schon fragilen „Come Crimson Death“. Der Tod kann sich so liebevoll anhören…
JESS AND THE ANCIENT ONES haben sich mit ihrem Debütalbum ziemlich souverän inmitten von THE DEVIL’S BLOOD und BLOOD CEREMONY platziert. Dabei haben sie sich mit ihren Eigenheiten eine Nische geschaffen. Wie gesagt – niemand hat den schwarzmagischen Ritualen von Frontfrau Jess jemals beigewohnt, und somit bleiben einige der Ingredienzien im Sound im Dunkeln. Aber niemand wird an der Wahrhaftigkeit von JESS AND THE ANCIENT ONES zweifeln. Weder die Musiker noch die Fans noch der Teufel. In diesem Sinne.
Hhm, betörend ist der Gesang von Jess für mich weniger, aber du hast ja schon treffend erwähnt, dass sie an ihre Grenzen stößt, was folglich von mir als unangenehm wahrgenommen wird. Die EP (wenn auch nur mit 2 Songs) fand ich jedoch deutlich vielversprechender als das, was das Debüt hergibt. Auch wenn das Album mit mehrmaligem Hören etwas besser wird, so kann es nicht mit den bereits genannten Referenzen oder Royal Thunder mithalten (auch wenn letztere weniger zum Occult Rock-Genre hinzugezählt werden können). Dafür ist die Produktion zu schwammig, die Gitarrenarbeit größtenteils zu schwach und der Gesang zu nervig. Vielleicht bin ich auch zu streng. Je mehr man aus diesem Genre hört, desto mehr scheint man von neuen Bands zu erwarten.